26.08.2010 Verfahrensrecht

OGH: Zur Wiederaufnahme nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO

Für die Zulässigkeit der Wiederaufnahmsklage reicht es aus, dass die neuen Beweismittel für sich allein betrachtet eine andere Entscheidung herbeizuführen vermögen; ob ihnen diese Eignung wirklich zukommt, kann aber nicht im Vorverfahren, sondern nur im Hauptverfahren beurteilt werden; nur im Hauptprozess kann der Beweiswert der neuen Zeugenbeweise, dh die Glaubwürdigkeit der Zeugen und auch die Frage geprüft werden, ob die neuen Beweismittel die Beweisergebnisse und die darauf aufgebauten Fragestellungen des Erstgerichts im Vorprozess wirklich erschüttert haben


Schlagworte: Wiederaufnahmsklage, neue Tatsachen / Beweismittel, Vorverfahren, Hauptverfahren
Gesetze:

§ 530 Abs 1 Z 7 ZPO, § 538 ZPO

GZ 3 Ob 91/10v, 30.06.2010

OGH: Gem § 530 Abs 1 Z 7 ZPO berechtigen nur solche neuen Tatsachen und Beweismittel zur Wiederaufnahmsklage, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine der Partei günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Es kommt dabei darauf an, ob die Außerachtlassung der neuen Tatsachen oder Beweismittel im Vorprozess einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Findung der materiellen Wahrheit und die Vollständigkeit der Urteilsgrundlage darstellt. Für die Zulässigkeit der Wiederaufnahmsklage reicht es aus, dass die neuen Beweismittel für sich allein betrachtet eine andere Entscheidung herbeizuführen vermögen. Ob ihnen diese Eignung wirklich zukommt, kann aber nicht im Vorverfahren, sondern nur im Hauptverfahren beurteilt werden. Nur im Hauptprozess kann der Beweiswert der neuen Zeugenbeweise, dh die Glaubwürdigkeit der Zeugen und auch die Frage geprüft werden, ob die neuen Beweismittel die Beweisergebnisse und die darauf aufgebauten Fragestellungen des Erstgerichts im Vorprozess wirklich erschüttert haben. Es ist also zunächst vom Gericht eine Prüfung der Schlüssigkeit und damit Zulässigkeit der Wiederaufnahmsklage nach § 538 ZPO vorzunehmen. Der Beweiswert der angebotenen Beweismittel ist nach einer nach § 538 ZPO zu treffenden Entscheidung nicht zu überprüfen, wohl aber ist bei dieser Entscheidung zu untersuchen, ob die Klagevoraussetzungen der Wiederaufnahmsklage gegeben sind.

Die Frage, ob die als Wiederaufnahmsgrund nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO geltend gemachten Umstände ersichtlich von vornherein keinen Einfluss auf die Entscheidung in der Hauptsache haben können, ist im Vorprüfungsverfahren nach § 538 Abs 1 ZPO abstrakt zu prüfen. Ergibt diese Prüfung, dass die in der Klage vorgebrachten Tatsachen oder die aus den neuen Beweismitteln abzuleitenden Tatsachen sogar dann, wenn man sie als richtig unterstellt, zu keiner Änderung der früheren Entscheidung führen können, sind die vorgebrachten Umstände auch abstrakt als Wiederaufnahmsgrund untauglich und die Klage mit Beschluss zurückzuweisen. Bei dieser Prüfung der Wiederaufnahmsklage, bei der von der dem früheren Urteil zugrundegelegten Rechtsansicht auszugehen ist, handelt es sich letztlich um eine Schlüssigkeitsprüfung.

Die neuen Tatsachen- und Beweismittel müssen nicht unmittelbar auf die rechtliche Beurteilung von Einfluss sein, es genügt auch, wenn sie geeignet sind, eine wesentliche Änderung der Beweiswürdigung herbeizuführen. Die Zurückweisung der Klage ist dann gerechtfertigt, wenn sich der geltend gemachte Wiederaufnahmsgrund überhaupt unter keinen der im Gesetz angeführten Wiederaufnahmsgründe einordnen lässt oder in keinem rechtlich beachtlichen Zusammenhang mit der angefochtenen Entscheidung steht, der Wiederaufnahmswerber also auch bei Zutreffen der behaupteten Wiederaufnahmsgründe eine Aufhebung oder Abänderung der Entscheidung nicht erreichen könnte. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das neue Beweisthema in keinem rechtlich beachtlichen Zusammenhang mit dem wiederaufzunehmenden Verfahren steht.