02.09.2010 Verfahrensrecht

OGH: § 81 Abs 3 KO - zur Frage der Haftung des Masseverwalters für eine, gegenüber dem Konkursgericht und dem Absonderungsgläubiger erklärte, unrichtige rechtliche Beurteilung des Bestands einer an letzteren abgetretenen Forderung

Gegenüber den Absonderungsgläubigern trifft den Masseverwalter grundsätzlich die Verpflichtung, deren Recht auf vorzugsweise Befriedigung zu wahren; die Erstellung eines Rechtsgutachtens dazu, ob an den Absonderungsgläubiger abgetretene Forderungen tatsächlich bestehen oder nicht, gehört nicht mehr zu seinen Aufgaben als Masseverwalter


Schlagworte: Insolvenzrecht, Schadenersatzrecht, Pflichten und Verantwortlichkeit des Masseverwalters (bzw Insolvenzverwalters), Absonderungsgläubiger
Gesetze:

§ 81 Abs 3 KO (nun: IO), § 48 IO

GZ 7 Ob 73/10a, 30.06.2010

Die Klägerin war Absonderungsgläubigerin in einem Schuldenregulierungsverfahren, in dem der Beklagte zum Masseverwalter bestellt war. Die Schwester der Schuldnerin bot an, die zur Konkursmasse gehörende Liegenschaft zu einem Kaufpreis von 245.000 EUR zu kaufen. Das zu Gunsten der Klägerin einverleibte Pfandrecht überstieg den Kaufpreis. Der Beklagte erklärte der Interessentin, mit dem Verkauf der Liegenschaft um 245.000 EUR einverstanden zu sein, "sofern der Kaufpreis plus 3,5 % Grunderwerbssteuer sowie 1 % Grundbuchseintragungsgebühr" bis spätestens 3. 4. 2006 auf seinem Anderkonto eingehe. Die Interessentin erklärte daraufhin, aus familiären Gründen vom Kaufanbot zurückzutreten. Bei der zwangsweisen Verwertung der Liegenschaft wurde ein Meistbot von 216.000 EUR erzielt, wovon der Klägerin ein Betrag von 205.203,94 EUR zugewiesen wurde.

Der Beklagte vertrat in seinem Bericht an das Konkursgericht und der Klägerin gegenüber die Rechtsansicht, dass der Klägerin durch das vertragswidrige Verhalten der Interessentin ein Schaden iHv 25.016 EUR entstanden sei. Als Masseverwalter im Schuldenregulierungsverfahren trat er der Klägerin diesen Schadenersatzanspruch ab. Der von der Klägerin gerichtlich geltend gemachte zedierte Anspruch wurde rechtskräftig mit der Begründung abgewiesen, dass der Beklagte das gültig und ernst gemeinte Anbot der Interessentin nicht angenommen, sondern vielmehr ein neues Anbot gestellt habe, das die Interessentin ihrerseits nicht angenommen habe. Der Klägerin entstanden in diesem Verfahren Kosten iHv 12.093,87 EUR.

OGH: Gem § 81 Abs 3 KO ist der Masseverwalter allen Beteiligten für Vermögensnachteile, die er ihnen durch pflichtwidrige Ausführung seines Amts verursacht, verantwortlich. Nach herrschender Ansicht greift diese Haftung nur ein, wenn der Masseverwalter konkursspezifische Pflichten verletzt. § 81 Abs 3 KO soll bloß vor jenen Risken schützen, die durch die in der KO geregelten umfassenden Befugnisse des Masseverwalters für die Beteiligten entstehen, die also in typischer Weise mit der Masseverwaltung verbunden sind. Beteiligte iSd § 81 Abs 3 KO sind Personen, deren Rechtsstellung einschließlich ihrer wirtschaftlichen Belange von der Gestaltung des Konkursverfahrens beeinflusst werden, sofern der Masseverwalter bei seinen Handlungen oder Unterlassungen zur Verhütung ihrer Schädigung verpflichtet erscheint. Gegenüber den Absonderungsgläubigern trifft den Masseverwalter grundsätzlich die Verpflichtung, deren Recht auf vorzugsweise Befriedigung (§ 48 Abs 1 KO) zu wahren. Dies ist va dann bedeutsam, wenn der Masseverwalter das Sicherungsgut selbst verwertet und etwa schuldhaft das Sicherungsgut unterpreisig verkauft.

Der Beklagte legte der Klägerin den unstrittigen Sachverhalt umfassend und korrekt dar, aus dem sich seiner Rechtsmeinung nach Schadenersatzansprüche gegenüber der Interessentin ableiteten ließen. Das einzige ihm anzulastende Fehlverhalten war die unrichtige rechtliche Beurteilung des Sachverhalts. Die Erstellung eines Rechtsgutachtens dazu, ob Schadenersatzansprüche tatsächlich bestehen oder nicht, gehörte aber nicht mehr zu seinen Aufgaben als Masseverwalter. Die Beurteilung der Prozesschancen obliegt dem Absonderungsgläubiger selbst, besteht doch zwischen dem Masseverwalter und ihm kein Vertragsverhältnis, nach dem der Masseverwalter dem Absonderungsgläubiger über die Verwertung hinaus zur Rechtsberatung oder Rechtsvertretung wie ein Rechtsfreund verpflichtet wäre. Eine Haftung für Prozesskosten könnte nur dann bestehen, wenn der Beklagte wahrheitswidrige Angaben über den - letztlich nur ihm bekannten - Sachverhalt gemacht und den Gläubiger deshalb zu einem aussichtslosen Prozess verleitet hätte.

Der Beklagte haftet auch nicht für das Bestehen der zedierten Forderung. Er konnte als Masseverwalter "Forderungen" (als Ersatzgut) nur so abtreten, wie sie ihm zustanden. Eine Forderung gegen ihn kann sich nur aus einer Sorgfaltspflichtverletzung ableiten, die aber nicht vorliegt.