16.09.2010 Verfahrensrecht

OGH: Zum gewillkürten Parteiwechsel (hier: iZm Vollbeendigung einer beklagten KEG während des Prozesses)

Ein gewillkürter Parteiwechsel ist nur in den im Prozessrecht geregelten Fällen zulässig; die bisherigen Gesellschafter einer während des Prozesses vollbeendeten KEG können nicht im Wege eines Parteiwechsels in den Prozess einbezogen werden


Schlagworte: Gewillkürter Parteiwechsel, Vollbeendigung einer beklagten KEG während des Prozesses

GZ 9 Ob 53/09y, 28.07.2010

Am 18. 11. 2003 wurde die beklagte KEG, deren (seit 28. 9. 2001) einziger persönlich haftender Gesellschafter der Einschreiter ist, über Antrag sämtlicher Gesellschafter im Firmenbuch des Erstgerichts gelöscht. Der Kläger begehrt nun zur Fortsetzung des Verfahrens einen Parteiwechsel auf Beklagtenseite unter Einbeziehung des Einschreiters.

OGH: Der OGH ist bei der Annahme eines gewillkürten Parteiwechsels äußerst zurückhaltend und lässt diesen (mit Ausnahme der als Einzelfall anzusehenden E 8 Ob 650/91) nur in den im Prozessrecht geregelten Fällen zu. Außerhalb der gesetzlich vorgesehenen Fälle wird ein Parteiwechsel auch von der hL abgelehnt. Der OGH stellte daher in 8 ObA 72/07g - unter Zugrundelegung der Entscheidung des verstärkten Senats 8 ObA 2344/96f - klar, dass er sich, ausgehend von der vorstehenden herrschenden Auffassung, nicht der Meinung anzuschließen vermag, dass im Fall der Löschung einer geklagten Personengesellschaft während des Prozesses die bisherigen Gesellschafter im Wege eines Parteiwechsels in den Prozess einzubeziehen seien. Schneider weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass auch der eintretenden Partei die Verfahrensgarantien des Art 6 EMRK, insbesondere das rechtliche Gehör, zu gewähren seien, was bei einer Bindung an die bisherigen Verfahrensergebnisse nicht der Fall oder bei einer Wiederholung des Verfahrens der Verfahrensökonomie abträglich wäre. Auch Schubert vertritt die Auffassung, dass die Frage, ob die weitere Rechtsverfolgung für den Kläger von Wert sei, dieser allein zu entscheiden habe.

Entgegen der von Dellinger in seiner Glosse zur E 8 ObA 2344/96f vertretenen Meinung, dass sich die Lösung des verstärkten Senats nicht auf die "gesetzestypischen Gesamthandgemeinschaften des Personengesellschaftsrechts" übertragen lasse, vertrat der OGH in 8 ObA 72/07g die Auffassung, dass die grundsätzlichen Erwägungen des verstärkten Senats auch dann anzuwenden sind, wenn es sich bei der Beklagten um eine im Firmenbuch gelöschte KEG handelt, deren einziger Komplementär und einziger Kommanditist natürliche Personen sind. Dem von Dellinger vertretenen Standpunkt, dass die Vermögensprämisse für die aus natürlichen Personen gebildeten Gesamthandgemeinschaften des Personengesellschaftsrechts deshalb falsch sei, weil es weder eine Konkursantragspflicht bei Überschuldung noch ein zwingendes Liquidationsrecht gebe, konnte in dieser Form nicht beigetreten werden. Im Hinblick auf die besondere Bedeutung, die dem Grundsatz eines fairen Verfahrens iSd Art 6 EMRK zukommt, ist der Grundgedanke, dass aus der Löschung der beklagten Gesellschaft während des Verfahrens die Vermutung der Vermögenslosigkeit nicht abgeleitet werden kann, auch für die beklagte KEG zu übernehmen.