23.09.2010 Verfahrensrecht

OGH: Unmöglichkeit der Exekution zur Erwirkung von Handlungen (hier: Rechnungslegung) bei (behaupteter) Handlungsunfähigkeit einer GmbH aufgrund Fehlens vertretungsbefugter Organe?

Die Gesellschafter trifft die Verpflichtung, für die Vertretung der Gesellschaft zu sorgen, damit diese ihre gesetzlichen Verpflichtungen erfüllen kann; dies gilt auch im Stadium der Liquidation, kommen sie dieser Pflicht nicht nach, ist ein "Notliquidator" vom Gericht zu bestellen; § 15a GmbHG ist in der Liquidationsphase anwendbar


Schlagworte: Exekutionsrecht, Exekution zur Erwirkung von Handlungen, Rechnungslegung, Liquidation, Handlungsunfähigkeit einer GmbH aufgrund Fehlens vertretungsbefugter Organe, Unmöglichkeit
Gesetze:

§ 354 EO, § 355 EO

GZ 3 Ob 95/10g, 04.08.2010

OGH: Nach stRsp ist die geschuldete unvertretbare Handlung bei der Exekution nach § 354 EO unerzwingbar, wenn dem Schuldner die Leistung dauernd unmöglich ist. In diesen Fällen kommt es über Antrag oder von Amts wegen zur Einstellung des Verfahrens. Hängt die Zuwiderhandlung gegen die titelgemäße Verpflichtung hingegen weiterhin ausschließlich vom Willen des Schuldners ab, ist dauernde Unmöglichkeit der Leistung zu verneinen.

Bringt eine verpflichtete Kapitalgesellschaft vor, die Unmöglichkeit der Leistung sei darauf zurückzuführen, dass sie mangels Bestellung von Geschäftsführern bzw Liquidatoren handlungsunfähig sei, macht sie an sich strittige Tatumstände geltend. War die Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung erster Instanz noch nicht bekannt, müssten diese Tatumstände im Rekursverfahren über die Exekutionsbewilligung oder einen nachfolgenden Strafbeschluss wegen des Neuerungsverbots unbeachtlich bleiben. Im vorliegenden Fall stand dem entsprechenden Vorbringen der verpflichteten Gesellschaft das Neuerungsverbot jedoch nicht entgegen, weil diese ihre Handlungsunfähigkeit bereits vor der Beschlussfassung erster Instanz vorgebracht hatte. Das Vorbringen ist aber nicht geeignet, die Einstellung des Verfahrens wegen dauernder Unmöglichkeit der Leistung zu bewirken, weil sich daraus jedenfalls keine dauernde Unmöglichkeit der geschuldeten Rechnungslegung ableiten lässt:

Eine GmbH "muss" einen oder mehrere Geschäftsführer haben (§ 15 Abs 1 Satz 1 GmbHG). Die Bestellung erfolgt durch Beschluss der Gesellschafter (§ 15 Abs 1 Satz 3 GmbHG). Aus diesen Bestimmungen ist eine Verpflichtung der Gesellschafter abzuleiten, für die Vertretung der Gesellschaft zu sorgen, damit diese ihre gesetzlichen Verpflichtungen erfüllen kann. Im Fall der Liquidation setzt sich gem § 89 Abs 2 GmbHG die Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer als Vertretungsbefugnis der Liquidatoren fort; diese vertreten die Interessen der Gesellschaft (§ 92 Abs 1 GmbHG). Auch nach Auflösung der Gesellschaft bis zur Beendigung der Liquidation kommen hinsichtlich der Rechtsverhältnisse der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft die hierüber im GmbHG getroffenen Anordnungen grundsätzlich zur Anwendung (§ 92 Abs 2 GmbHG). Demnach trifft die Gesellschafter auch im Stadium der Liquidation die Verpflichtung, für eine Vertretung der Gesellschaft zu sorgen. Kommen sie dieser Pflicht nicht nach, ist ein "Notliquidator" vom Gericht zu bestellen; § 15a GmbHG ist in der Liquidationsphase anwendbar.

Ausgehend von dieser Rechtslage kann hier schon mangels konkreter Parteibehauptungen über die Gründe der fehlenden Liquidatorbestellung von einer dauernden Unmöglichkeit der Erfüllung der Rechnungslegungspflicht nicht die Rede sein.

Eine bloß zeitweilige Vertretungslosigkeit begründet keinen Einstellungsgrund: Fällt der Geschäftsführer einer GmbH aus (Tod; Abberufung), kann ein neuer Geschäftsführer im Regelfall in kurzer Zeit bestellt werden. Auch in dieser Zwischenzeit ändert sich an der Titelverpflichtung nichts.

Ob der Umstand zeitweiliger Vertretungslosigkeit iSd Ansicht des Rekursgerichts bei der Bemessung der Strafhöhe zu berücksichtigen ist, braucht hier nicht abschließend beurteilt werden, weil die von der Verpflichteten vorgetragenen Gründe nicht geeignet sind, ein Verschulden an der Nichterfüllung der Rechnungslegungspflicht verneinen oder geringer werten zu können. Dass der "seinerzeitige" Geschäftsführer "nicht greifbar" sei, ist für sich allein noch kein Entschuldigungsgrund. Sein Nachfolger hätte die notwendigen Urkunden zu beschaffen und die Rechnungslegung zu veranlassen. Wenn kein Nachfolger bestellt wurde, fällt dies in die Sphäre der Verpflichteten. Warum eine Geschäftstführerbestellung nicht möglich gewesen wäre, ließ die Äußerung der Verpflichteten wie ihr Rekurs an die zweite Instanz offen, ebenso auch die Frage, weshalb die behauptete Firmensitzverlegung die Rechnungslegung unmöglich machen sollte. Die Verpflichtete ist also schon ihrer Behauptungslast über nach Meinung des Rekursgerichts relevante Umstände für die Strafbemessung nicht nachgekommen. Der Aufhebungsbeschluss des Rekursgerichts läuft darauf hinaus, dass amtswegig der Verpflichteten Gelegenheit gegeben wird, ihr unzureichendes Vorbringen zu ergänzen. Dies widerspricht dem auch im Exekutionsverfahren herrschenden Grundsatz, dass den jeweiligen Antragsteller die Behauptungslast trifft. Es herrscht reiner "Parteibetrieb". Zum Thema der Strafhöhe war schließlich auch der ganz allgemeine Einwand über die schlechte wirtschaftliche Lage unzureichend.