21.10.2010 Verfahrensrecht

OGH: Zur Zulässigkeit bedingter Prozesshandlungen

In der Rsp wird zwischen Bedingungen unterschieden, die - und zwar von einer Verfahrenspartei - an ein außerprozessuales Ereignis geknüpft werden und allgemein unzulässig sind, und solchen, die an innerprozessuale Tatsachen und Vorgänge geknüpft werden und grundsätzlich zulässig sind, sofern dadurch nicht die Vorhersehbarkeit des weiteren Prozessablaufs in unerträglicher Weise beeinträchtigt wird


Schlagworte: Bedingte Prozesshandlungen
Gesetze:

§ 226 ZPO

GZ 8 ObA 44/10v, 22.07.2010

In der vorbereitenden Tagsatzung zu der für die Beklagte niemand erschien, trug das Erstgericht dem Geschäftsführer der Beklagten die Vorlage einer Krankenstandsbestätigung einschließlich einer Stellungnahme zur Ausgehfähigkeit innerhalb einer Frist von drei Tagen auf. Daraufhin beantragte der Kläger "für den Fall der nicht bzw nicht rechtzeitigen Vorlage bzw Vorlage einer Bestätigung nicht in der geforderten Qualität" die Erlassung eines Versäumungsurteils. Das Erstgericht behielt sich die Erlassung des Versäumungsurteils bis 23. 10. 2009 vor. Am 9. 11. 2009 wurde das Versäumungsurteil schließlich erlassen.

OGH: Der Kläger weist in seinem Rekurs zutreffend darauf hin, dass bei der Auslegung von Prozesshandlungen nach deren objektivem Erklärungsinhalt jener Variante der Vorzug zu geben ist, die es erlaubt, eine prozessuale Willenserklärung als wirksame Prozesshandlung anzusehen. Bedingte Prozesshandlungen sind auch keineswegs allgemein unzulässig. Vielmehr kennt das Gesetz selbst derartige Prozesshandlungen. In diesem Sinn erlaubt etwa § 261 Abs 6 ZPO dem Kläger einen Überweisungsantrag an das von ihm namhaft gemachte Gericht für den Fall, dass das angerufene Gericht der vom Beklagten erhobenen Einrede der Unzuständigkeit stattgibt. Ebenso sind Prozesshandlungen, die ein gem § 38 ZPO vorläufig zugelassener Vertreter vornimmt, bedingt wirksam. Dementsprechend wird in der Rsp zwischen Bedingungen unterschieden, die - und zwar von einer Verfahrenspartei - an ein außerprozessuales Ereignis geknüpft werden und allgemein unzulässig sind, und solchen, die an innerprozessuale Tatsachen und Vorgänge geknüpft werden und grundsätzlich zulässig sind, sofern dadurch nicht die Vorhersehbarkeit des weiteren Prozessablaufs in unerträglicher Weise beeinträchtigt wird.

Im vorliegenden Fall ist zu beachten, dass das Erstgericht dem Geschäftsführer der Beklagten die Vorlage der Krankenstandsbestätigung in der vorbereitenden Tagsatzung aufgetragen hat. Ein nachträglicher Antrag des Klägers auf Fällung des Versäumungsurteils wäre ausgeschlossen gewesen. Er war daher gehalten, den Antrag unverzüglich in der Tagsatzung zu stellen. Daraufhin hat das Erstgericht das Versäumungsurteil vorbehalten.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann dem Kläger nicht vorgeworfen werden, einen bloß bedingten Antrag gestellt und dadurch die Erkrankung des Geschäftsführers der Beklagten als Hinderungsgrund für die Erlassung eines Versäumungsurteils akzeptiert zu haben. Vielmehr nahm er auf die Vorlage der Krankenstandsbestätigung in seinem Antrag deshalb Bedacht, weil das Erstgericht zuvor, und zwar von sich aus, den Vorlageauftrag erließ. Dadurch, dass das Erstgericht die Krankenstandsbestätigung forderte, hat es die Entscheidung über den Antrag auf Erlassung des Versäumungsurteils in Wirklichkeit von der - implizit auch getroffenen - Vorentscheidung über die Berechtigung der Entschuldigung des Geschäftsführers der Beklagten abhängig gemacht. Die Frage nach der rechtzeitigen und ordnungsgemäßen Vorlage der Bestätigung wurde dadurch jedenfalls zum innerprozessualen Umstand. Die vom Berufungsgericht angenommene Bedingung wurde auch nicht vom Kläger, sondern vielmehr vom Erstgericht vorgegeben. Ebenso wenig konnte der Antrag des Klägers Einfluss auf den Fortgang des Verfahrens haben, weil das Erstgericht die Entscheidung über den Antrag auf Erlassung des Versäumungsurteils selbst von der Urkundenvorlage abhängig machte.

Nach seinem objektiven Erklärungswert war der Antrag des Klägers darauf gerichtet, dass das Versäumungsurteil erlassen werden soll, wenn sich die auf den ersten Blick gegebene, nach der Anordnung des Erstgerichts aber noch zu prüfende Säumnis der Beklagten bewahrheitet. Damit sollte das Verständnis des Klägers zum Ausdruck gebracht werden, dass im Fall der rechtzeitigen Vorlage der geforderten Krankenstandsbestätigung das Versäumungsurteil nicht ergehen kann.

Der zu beurteilende Antrag des Klägers auf Erlassung des Versäumungsurteils ist demnach jedenfalls als zulässige innerprozessual bedingte Prozesshandlung anzusehen.