21.10.2010 Verfahrensrecht

OGH: Zur Frage der Anfechtbarkeit bereits formal rechtskräftiger Ausscheidungsbeschlüsse im Schuldenregulierungsverfahren durch einen erst nachträglich bestellten Masseverwalter

Hinsichtlich der Rückwirkung der Bestellung des Masseverwalters im Schuldenregulierungsverfahren schließt sich der Senat den in der Literatur und im Revisionsrekurs geäußerten Bedenken an und hält die in den Entscheidungen 8 Ob 332/98a, 8 Ob 333/98y vertretene Ansicht, dem nachträglich bestellten Masseverwalter komme ein Rekursrecht gegen bereits formell rechtskräftige Beschlüsse zu, nicht aufrecht


Schlagworte: Insolvenzverfahren, Schuldenregulierungsverfahren, Eigenverwaltung, formal rechtskräftiger Ausscheidungsbeschluss, Anfechtbarkeit durch nachträglich bestellten Masseverwalter
Gesetze:

§ 119 Abs 5 KO (IO), §§ 181 ff KO (IO)

GZ 8 Ob 4/10m, 18.08.2010

OGH: Die Unanfechtbarkeit einer erstinstanzlichen Entscheidung ist für sich allein noch nicht unzulässig; auch Art 6 MRK gewährt nach hA kein Recht auf einen Instanzenzug. Gerade das Insolvenzverfahren kennt eine Reihe von Beschlüssen, gegen die ein Rekurs ex lege ausgeschlossen ist (§§ 84 Abs 3; 93 Abs 4; 114b Abs 2; 120 Abs 2 und 3 KO [nunmehr jeweils: IO]; 169 Abs 4 KO). Diesen Fällen des gesetzlichen Rechtsmittelausschlusses ist aber gemeinsam, dass die unanfechtbaren erstinstanzlichen Beschlüsse entweder jederzeit abänderbar sind (§§ 93 Abs 4, 169 Abs 4 KO) oder den Betroffenen vor der Entscheidung rechtliches Gehör eingeräumt werden muss (§§ 84 Abs 3, 114b Abs 2, 120 Abs 2 und 3 KO).

Beide Voraussetzungen fehlen aber, wenn dem Ausscheidungsantrag des eigenverwaltungsberechtigten Schuldners vom Gericht ohne Anhörung der Gläubiger stattgegeben wird. Weder kann der einmal ausgeschiedene Vermögensbestandteil neuerlich in die Masse einbezogen werden, noch ist eine Äußerung der einzelnen Gläubiger vor der Entscheidung verpflichtend vorgesehen. Die Diskrepanz dieser Rechtslage im Schuldenregulierungsverfahren zu jener im Insolvenzverfahren von Unternehmen, wo mit der Zuweisung der Entscheidung über eine Ausscheidung an den Gläubigerausschuss sowie der Rekurslegitimation seiner Mitglieder und des Masseverwalters gegen den Gerichtsbeschluss eine mehrfache Kontrolle gewährleistet wird, ist ebenso augenscheinlich wie sachlich nicht zu rechtfertigen.

Eine Möglichkeit der Lösung des prozessualen Problems könnte in der Anerkennung eines subsidiären Rekursrechts der einzelnen Gläubiger gegen den Ausscheidungsbeschluss im Fall einer Eigenverwaltung des Schuldners bestehen, zumal im Konkursverfahren grundsätzlich jeder zum Rekurs befugt ist, der sich in seinem Recht gekränkt erachtet, soweit es sich nicht um bloß wirtschaftliche Interessen handelt. Die Gefahr einer unzumutbaren Verfahrensverzögerung durch eine Vielzahl von Rekursberechtigten wirkt im Schuldenregulierungsverfahren mit Eigenverwaltung gerade im Hinblick auf § 186 Abs 2 Z 1 KO eher vernachlässigbar.

Im vorliegenden Verfahren hat die am Rekursverfahren beteiligte Gläubigerin die Zurückweisung ihres Rechtsmittels aber unbekämpft gelassen, weshalb es dem OGH verwehrt ist, diese Entscheidung einer neuerlichen Prüfung zu unterziehen.

Hinsichtlich der Rückwirkung der Bestellung des Masseverwalters im Schuldenregulierungsverfahren schließt sich der Senat den in der Literatur und im Revisionsrekurs geäußerten Bedenken an und hält die in den Entscheidungen 8 Ob 332/98a, 8 Ob 333/98y vertretene Ansicht, dem nachträglich bestellten Masseverwalter komme ein Rekursrecht gegen bereits formell rechtskräftige Beschlüsse zu, nicht aufrecht. Ob die Voraussetzungen des § 186 Abs 2 KO (IO) für eine Entziehung der Eigenverwaltung im vorliegenden Fall ursprünglich überhaupt vorlagen, wird im Revisionsrekurs nicht releviert und war daher nicht mehr aufzugreifen.