28.10.2010 Verfahrensrecht

OGH: Zur Fassung eines Unterlassungsgebots

Das Gericht ist zur Modifizierung und Neufassung eines Begehrens berechtigt, sofern es dem Begehren nur eine klarere und deutlichere, dem tatsächlichen Begehren und Vorbringen des Klägers entsprechende Fassung gibt; eine diesen Anforderungen genügende Neufassung kann auch von Amts wegen und im Rechtsmittelverfahren erfolgen; bei der Neufassung des Spruchs hat sich das Gericht im Rahmen des vom Kläger Gewollten und damit innerhalb der von § 405 ZPO gezogenen Grenzen zu halten


Schlagworte: Unterlassungsbegehren, Bestimmtheit, Verletzungshandlung, Neufassung / Modifizierung durch Gericht
Gesetze:

§ 226 ZPO, § 14 UWG, § 405 ZPO

GZ 4 Ob 93/10w, 31.08.2010

Die Beklagten machen geltend, das Unterlassungsgebot sei insofern zu weit, als es auch qualitative Abweichungen zwischen Ankündigung und Veröffentlichung untersage, und es sei durch Verwendung der Begriffe "qualitative und quantitative Kriterien" unbestimmt.

OGH: Bei Fassung des Unterlassungsgebots sind die prozessuale Frage nach der ausreichenden Bestimmtheit des Begehrens und die - nach dem materiellen Recht zu beurteilende - Frage, wie weit das Begehren angesichts der begangenen oder drohenden Rechtsverletzung gehen darf, auseinanderzuhalten.

Welche Anforderungen an die Konkretisierung (Bestimmtheit) des Rechtsschutzbegehrens zu stellen sind, hängt von den Besonderheiten des anzuwendenden materiellen Rechts und den Umständen des Einzelfalls ab. Die Anforderungen sind danach in Abwägung des zu schützenden Interesses des Antragsgegners, sich gegen das Rechtsschutzbegehren verteidigen zu können, sowie seines Interesses an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit hinsichtlich der Entscheidungswirkungen mit dem ebenfalls schutzwürdigen Interesse des Antragstellers an einem wirksamen Rechtsschutz festzulegen. Dem Begehren muss unter Berücksichtigung des Sprach- und Ortsgebrauchs und nach dem Verständnis der beteiligten Verkehrskreise zu entnehmen sein, was begehrt ist.

Unterlassungsgebote müssen demnach das verbotene Verhalten so deutlich umschreiben, dass sie dem Beklagten als Richtschnur für sein zukünftiges Verhalten dienen können. Diesem Erfordernis genügen nicht näher konkretisierte, allgemeine Begriffe nicht, sondern es muss in einer für das Gericht und die Parteien unverwechselbaren Weise feststehen, was geschuldet wird. Dem Beklagten kann deshalb auch nicht ganz generell aufgetragen werden, sich rechtmäßig zu verhalten.

Die Rechtsmittelwerberinnen zeigen zutreffend auf, dass das bekämpfte Unterlassungsgebot durch Verwendung der unbestimmten Begriffe "qualitative und quantitative Kriterien" das den Beklagten künftig verbotene Verhalten nicht so ausreichend deutlich und klar umschreibt, dass eine Verletzung der Unterlassungspflicht gem § 355 EO in Exekution gezogen werden könnte. Die Einschätzung, ob ein bestimmter redaktioneller Inhalt einer Tageszeitung qualitativ oder quantitativ von einer Ankündigung des entsprechenden Beitrags auf der Titelseite abweicht oder nicht, hängt in erster Linie von subjektiven Einschätzungen des angesprochenen Leserkreises ab und eröffnet damit im Streitfall dem Rechtsanwender einen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit abträglichen (weil zu weiten) Beurteilungsspielraum. Das Unterlassungsgebot enthält demnach im aufgezeigten Umfang keine ausreichenden Anhaltspunkte zur Ermittlung des gebotenen Verhaltens und ist damit insoweit zu unbestimmt.

Das Gericht ist zur Modifizierung und Neufassung eines Begehrens berechtigt, sofern es dem Begehren nur eine klarere und deutlichere, dem tatsächlichen Begehren und Vorbringen des Klägers entsprechende Fassung gibt. Eine diesen Anforderungen genügende Neufassung kann auch von Amts wegen und im Rechtsmittelverfahren erfolgen. Bei der Neufassung des Spruchs hat sich das Gericht im Rahmen des vom Kläger Gewollten und damit innerhalb der von § 405 ZPO gezogenen Grenzen zu halten. Diese Grenze wird nicht überschritten, wenn der Spruch nur verdeutlicht, was nach dem Vorbringen ohnedies begehrt ist.

Im Anlassfall war das Unterlassungsgebot unter Vermeidung unbestimmter Begriffe so umzuformulieren, dass darin der Kern der Verletzungshandlung (eine Ankündigung auf der Titelseite erweist sich angesichts des Blattinhalts als unrichtige Behauptung) nachvollziehbar zum Ausdruck kommt.

In einem zweiten Schritt ist sodann zu prüfen, ob ein ausreichend konkretes Unterlassungsgebot allenfalls zu weit gefasst ist. Ob dies der Fall ist, hängt va von der festgestellten Verletzungshandlung ab. Ein Unterlassungsgebot hat sich in seinem Umfang nämlich am konkreten Verstoß zu orientieren; es ist daher auf die konkrete Verletzungshandlung sowie - um Umgehungen durch den Verpflichteten nicht allzu leicht zu machen - auf ähnliche Fälle einzuengen. Die an sich wegen der Gefahr von Umgehungen gerechtfertigte weite Fassung von Unterlassungsgeboten darf nur so weit gehen, als die Befürchtung gerechtfertigt ist, der Beklagte werde auch jene Verletzungshandlungen begehen, die unter das weit gefasste Unterlassungsgebot fallen. Ein seinem Umfang nach berechtigtes Begehren ist aber als Minus im zu weiten Sicherungsantrag enthalten. Ein unberechtigtes Begehren ist abzuweisen.