18.11.2010 Verfahrensrecht

OGH: Berücksichtigung nicht angemeldeter Forderungen im Zahlungsplan - zur Frage, ob nach Ablauf der Zahlungsfrist des Zahlungsplans eine Antragstellung gem § 197 Abs 2 KO zulässig ist

Eine Beschlussfassung nach § 197 Abs 2 KO kann auch nach rechtskräftiger Bestätigung des Zahlungsplans und Aufhebung des Konkursverfahrens beantragt werden; auch im Falle eines kurzfristig zu erfüllenden Zahlungsplans, dessen Frist bereits abgelaufen ist, hat das Gericht seiner Entscheidung nach § 197 Abs 2 KO den vom Gericht angenommenen und bestätigten Zahlungsplan zugrunde zu legen; durch die Entscheidung darf kein "neuer" (fiktiver) Zahlungsplan mit einer längeren Laufzeit geschaffen werden; die Frage, ob der Schuldner in der Lage ist, aufgrund seiner konkreten Einkommens- und Vermögensverhältnisse die nachträglich geltend gemachte Forderung der Gläubigerin zu befriedigen, kann in diesem Fall nur aus der Sicht des Zeitpunkts der Entscheidung über den Antrag beurteilt werden


Schlagworte: Insolvenzrecht, Schuldenregulierungsverfahren, Zahlungsplan, Berücksichtigung nicht angemeldeter Forderungen, Antragstellung nach Ablauf der Zahlungsfrist des Zahlungsplans
Gesetze:

§ 197 IO, § 156b IO

GZ 8 Ob 146/09t, 18.08.2010

OGH: § 197 Abs 3 KO legt fest, dass ein Gläubiger, der seine Forderung nicht angemeldet hat, Exekution nur nach Maßgabe eines Beschlusses gem § 197 Abs 2 KO führen kann. § 197 Abs 2 KO bestimmt, dass das Konkursgericht auf Antrag vorläufig (§ 66 AO, vgl nunmehr § 156b IO) zu entscheiden hat, ob die zu zahlende Quote der nachträglich hervorgekommenen Forderung der Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners entspricht. Der eine Provisorialentscheidung darstellende Beschluss des Konkursgerichts hat - über Antrag des Schuldners oder des betroffenen Gläubigers - jenen Betrag festzulegen, den der Schuldner nach den Kriterien des § 197 Abs 2 KO zu zahlen hat. Bei der Bemessung dieses Betrags ist zu beachten, dass dem Schuldner das Existenzminimum zu verbleiben hat. Als "Faustregel" gilt, dass ein nicht anmeldender Gläubiger keinen Anspruch auf die Quote hat, wenn der Schuldner den unpfändbaren Teil seiner Bezüge angreifen müsste.

Der vorliegende Fall weicht infolge der Vereinbarung einer Einmalzahlung innerhalb einer extrem kurzen Zahlungsfrist von weniger als einem Monat vom Regelfall eines (Zwangs-)ausgleichs deutlich ab. Dazu kommt, dass eine Quote von 100 % vereinbart wurde und daher - auch hier vom Regelfall abweichend - gerade kein Schuldennachlass, in dessen Genuss der Schuldner nach Erfüllung des Zahlungsplans käme. Die Gläubigerin hat ihre Forderung nicht (auch nicht verspätet) angemeldet. § 197 KO geht nun gerade vom Fall der Nichtanmeldung der Forderung aus. Dass die Forderung im nach Verbesserung angenommenen und bestätigten Zahlungsplan nicht berücksichtigt wurde, spielt daher keine Rolle. Überdies sind allfällige Mängel des Zahlungsplans durch dessen rechtskräftige Bestätigung geheilt.

Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass der Antrag nach § 197 Abs 2 KO auch noch nach Ablauf der Zahlungsfrist und Erfüllung des Zahlungsplans zulässig ist, ist zutreffend. Eine Beschlussfassung nach § 197 Abs 2 KO kann auch nach rechtskräftiger Bestätigung des Zahlungsplans und Aufhebung des Konkursverfahrens beantragt werden. Der OGH hat darüber hinaus bereits ausgesprochen, dass eine Antragstellung nach § 66 AO selbst nach Ablauf der Erfüllungsfrist für den Zwangsausgleich bis zur Befriedigung dieser Forderung noch möglich ist.

Der OGH führte bereits aus, dass sich die Bestimmungen über das Wiederaufleben auf angemeldete wie auf nicht angemeldete Forderungen beziehen, sodass auch im gleichen Umfang für den Schuldner die Möglichkeit gegeben sein müsse, das Wiederaufleben durch eine Antragstellung nach § 66 AO zu verhindern. Sowohl angemeldete wie nicht angemeldete Forderungen könnten nur innerhalb der allgemeinen Verjährungsfrist geltend gemacht werden, sodass in diesem Umfang auch die Antragstellung gem § 66 AO möglich sein müsse.

Auch für eine Antragstellung gem § 197 Abs 2 KO sieht das Gesetz keine Frist vor. Ein zeitlicher Konnex zum Abschluss des Zahlungsplans ist grundsätzlich nicht erforderlich.

Auch nach der InsNov 2002 hat § 197 KO gerade nicht den Zweck des völligen Forderungsverlusts des Gläubigers. Schon nach seinem Wortlaut berührt § 197 Abs 1 KO nicht die Forderung des nicht anmeldenden Gläubigers als solche. Ausdrücklich gesteht diese Bestimmung dem Gläubiger einen Anspruch auf die Quote dem Grunde nach zu. Sie schränkt in der Regel - je nach Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners - nur diesen Anspruch des Gläubigers ein. Nur über diese Einschränkung - nicht aber über den Bestand der Forderung an sich oder die Höhe der Quote - ist ein Beschluss nach § 197 Abs 2 KO zu fassen.

Dieser Beschluss kann sowohl im Interesse des Schuldners als auch des Gläubigers liegen: Erst nach Fassung eines Beschlusses gem § 197 Abs 2 KO weiß nämlich der Schuldner, ob er überhaupt etwas leisten muss. Umgekehrt kann der Gläubiger seine titulierte Forderung nur im Weg eines Beschlusses gem § 197 Abs 2 KO durchsetzen. Bereits ausgeführt wurde, dass der Schuldner mit Hilfe eines Antrags gem § 197 Abs 2 KO auch ein Wiederaufleben der Forderung gem § 156 Abs 4 KO (vgl nunmehr: § 156a IO) verhindern kann. Daran besteht grundsätzlich auch nach Ablauf der Frist zur Erfüllung des Zahlungsplans grundsätzlich ein Interesse, mag die Frage des Wiederauflebens im besonderen konkreten Fall auch keine Rolle spielen.

Gem § 197 Abs 2 KO hat das Gericht auszusprechen, ob und in welcher Höhe die nachträglich angemeldete Forderung vorläufig zu berücksichtigen ist. Bei der Beurteilung, ob die zu zahlende Quote den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Schuldners entspricht, geht es nicht um den Bestand der Forderung dem Grunde oder der Höhe nach an sich. Das Konkursgericht hat vielmehr festzustellen, inwieweit der Schuldner aufgrund seiner konkreten Einkommens- und Vermögenslage imstande ist, die nachträglich geltend gemachte Forderung zu befriedigen.

§ 197 KO bezieht sich auf die Erfüllung des Zahlungsplans, nicht aber auf dessen Inhalt. Das Konkursgericht hat daher bei seiner Entscheidung den vom Schuldner nach Verbesserung angebotenen, von den Gläubigern angenommenen und vom Gericht bestätigten Zahlungsplan zu beachten. Keinesfalls darf durch die Entscheidung gem § 197 Abs 2 KO gewissermaßen ein "neuer" Zahlungsplan geschaffen werden. Dazu fehlen die gesetzlichen Grundlagen. Der Gesetzgeber hat überdies die Möglichkeit eines geänderten, neuen Zahlungsplans ausdrücklich geregelt. Ein solcher ist allerdings nur unter den (hier nicht zu behandelnden) Voraussetzungen des § 198 KO (nunmehr § 198 IO) zulässig.

Da aber der Zahlungsplan im konkreten Fall bereits erfüllt ist, "verliert" § 197 KO seinen "Hauptzweck", nämlich, seine Erfüllung nicht scheitern zu lassen. Weil aber grundsätzlich die Regeln des Zwangsausgleichs zu beachten sind, verbleibt die Notwendigkeit, über die davon grundsätzlich ja nicht berührte Forderung der nicht anmeldenden Gläubigerin iSd § 197 Abs 2 und 3 KO aus den schon dargelegten Gründen eine Entscheidung zu treffen. Eine letztlich vollkommen befriedigende Lösung für die hier zu beurteilende Fallkonstellation ist aus dem Gesetz nicht zu gewinnen.

Der für die Entscheidung gem § 197 Abs 2 KO zu beachtende Zahlungsplan sieht im hier vorliegenden besonderen Fall eine Quote von 100 % bei einer sehr kurzen Zahlungsfrist (Einmalzahlung innerhalb von 21 Tagen) vor. Eine Veränderung der Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners zu einem "späteren Zeitpunkt" (außerhalb dieser sehr kurzen Zeitspanne) ist daher nicht denkbar, weil durch die Entscheidung kein "fiktiver Zahlungsplan" geschaffen werden darf.

Der Beschluss gem § 197 Abs 2 KO soll nur eine vorläufige Regelung treffen. Die endgültige Entscheidung über die Voraussetzungen des § 197 Abs 1 KO erfolgt, wenn wie hier schon ein Exekutionstitel vorliegt, in einem Oppositions- oder Feststellungsverfahren. Durch die Entscheidung des Gerichts soll lediglich festgelegt werden, welche Zahlung der Schuldner auf die im Zahlungsplan vereinbarte Quote und unter Berücksichtigung der im Zahlungsplan festgelegten Fristen nach seiner Einkommens- und Vermögenslage leisten kann.

Im hier zu beurteilenden Sonderfall, in dem die Frist des Zahlungsplans bereits abgelaufen ist, kann die Frage, ob der Schuldner in der Lage ist, aufgrund seiner konkreten Einkommens- und Vermögensverhältnisse die nachträglich geltend gemachte Forderung der Gläubigerin zu befriedigen, sinnvoll nur aus der Sicht des Zeitpunkts der Entscheidung des Gerichts über den Antrag beurteilt werden.

Dies ergibt sich auch aus folgender Überlegung:

Die Entscheidung gem § 197 Abs 2 KO muss im Interesse sowohl des Gläubigers einer titulierten Forderung als auch des Schuldners derart gestaltet sein, dass ihre Durchsetzung gem § 197 Abs 3 KO realistisch ist. Insbesondere sollen ein nachfolgendes Oppositionsverfahren, aber auch willkürliche, sachlich nicht gerechtfertigte Ergebnisse nach Möglichkeit vermieden werden.

Stellte man nämlich für die Beurteilung der Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Erfüllungsfrist des Zahlungsplans ab, und liegt dieser Zeitpunkt schon weiter zurück, so wird in einem solchen Fall das Ergebnis der Beschlussfassung in der Regel kaum mit der aktuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Schuldners übereinstimmen. Der Schuldner, der im Zeitpunkt der Beschlussfassung gem § 197 Abs 2 KO über kein Einkommen verfügt, könnte dennoch zur vorläufigen Zahlung der Quote verpflichtet werden, wenn er im Zeitpunkt der Erfüllung des Zahlungsplans über ausreichendes Einkommen oder Vermögen verfügt hat (die wirtschaftliche Gesundung des Schuldners ist ja auch das Ziel des Zahlungsplans). Aber auch der umgekehrte Fall ist denkbar: Ein Gläubiger ginge seiner Forderung im Ergebnis verlustig, wenn der Schuldner im Zeitpunkt der Erfüllung des Zahlungsplans vermögens- und einkommenslos war, obwohl er im Zeitpunkt der Entscheidung gem § 197 Abs 2 KO durchaus in der Lage wäre, die Quote zu befriedigen.

Eine Prognose über die Entwicklung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners ist für die Entscheidung gem § 197 Abs 2 KO im konkreten Fall, in dem nur eine einmalige vorläufige Zahlung festgesetzt werden kann, nur in einem sehr eingeschränkten Ausmaß anzustellen. Der Untersuchungsgrundsatz im Insolvenzverfahren (§ 254 Abs 5 IO, früher § 173 Abs 5 KO, ist gem § 273 Abs 8 IO im fortzusetzenden Verfahren anzuwenden) begründet keine uferlose Nachforschungspflicht. Beachtlich sind daher nur jene feststellbaren Änderungen in den Einkommens- oder Vermögensverhältnissen, die in naher Zukunft mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintreten werden.