03.05.2007 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Die bloße Möglichkeit des Umschlagens einer psychischen Belastung in eine psychische Störung mit Krankheitswert, somit die bloße Gefahr einer psychischen Erkrankung, stellt keine Krankheit iSd § 120 Abs 1 Z 1 ASVG und damit auch keinen Versicherungsfall iSd Gesetzesbestimmung dar


Schlagworte: Sozialrecht, Krankenversicherung, Krankheitsbegriff
Gesetze:

§ 120 ASVG

In seinem Beschluss vom 27.02.2007 zur GZ 10 ObS 2/07b hat sich der OGH mit dem Krankheitsbegriff iSv § 120 Abs 1 Z 1 ASVG befasst:

Beim Kläger liegt derzeit kein psychischer Leidenszustand mit Krankheitswert vor, weil er die erektile Dysfunktion durch eine selbst gekaufte Medikation ("Caverject" im Rahmen der SKAT-Therapie) substituiert. Bei Nichtanwendung der SKAT-Therapie oder vergleichbarer Therapien ist beim Kläger mit einer depressiven Entwicklung bzw dem Auftreten von Depressionen durchaus zu rechnen. Wenn der Kläger die SKAT-Therapie nicht anwenden kann und sich in einer partnerschaftlichen Beziehung befindet, ist mit einer über 50 %igen Wahrscheinlichkeit zu rechnen, dass es bei ihm zu depressiven Entwicklungen kommt. Diese können aufgrund des Alters des Klägers und der damit verbundenen geringen Lebensperspektiven durchaus auch in schweren Depressionen enden.

Dazu der OGH: Gemäß § 120 Abs 1 Z 1 ASVG gilt der Versicherungsfall (erst) mit dem Beginn der Krankheit, das ist der regelwidrige Körper- oder Geisteszustand, der die Krankenbehandlung notwendig macht, als eingetreten. Nach stRsp stellt die bloße Möglichkeit des Umschlagens einer psychischen Belastung in eine psychische Störung mit Krankheitswert, somit die bloße Gefahr einer psychischen Erkrankung, keine Krankheit iSd § 120 Abs 1 Z 1 ASVG und damit auch keinen Versicherungsfall iSd Gesetzesbestimmung dar, würde doch andernfalls der Krankheitsbegriff des ASVG einseitig und in unzulässiger Weise zu Lasten des Krankenversicherungsträgers ausgeweitet werden, weil eben ein regelwidriger Geisteszustand noch nicht eingetreten ist und ein Leistungsanspruch für Krankheitsverhütungen nur für die in § 156 ASVG aufgezählten Maßnahmen vorgesehen ist.

Wenn die Vorinstanzen bei der Sachlage die geforderte hohe Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer psychischen Krankheit und der Notwendigkeit einer ärztlichen Behandlung beim Kläger nicht als erfüllt ansahen, haben sie die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze in vertretbarer Weise auf den vorliegenden Einzelfall angewendet.