25.11.2010 Verfahrensrecht

OGH: Herausgabe von Vermögensbestandteilen, die die nicht obsorgeberechtigte Mutter in Händen haben soll - streitiges oder außerstreitiges Verfahren?

Das außerstreitige Verfahren ist nur für den Missbrauch der Vermögensverwaltungsbefugnis des Obsorgeberechtigten vorgesehen (§ 133 AußStrG); der Herausgabeanspruch der Minderjährigen ist daher auf dem streitigen Rechtsweg zu verfolgen


Schlagworte: Familienrecht, Obsorge, Herausgabeanspruch des Minderjährigen, Vermögen, streitiges / außerstreitiges Verfahren
Gesetze:

§ 40a JN, § 56 AußStrG, § 133 AußStrG

GZ 3 Ob 115/10y, 04.08.2010

Der Vater beantragte als gesetzlicher Vertreter der beiden Minderjährigen einerseits die Herausgabe der im Besitz der Mutter befindlichen näher bezeichneten Sparbücher und darüber hinaus deren gerichtliche Sperre als Mündelvermögen. Verfahrensgegenstand ist nur der letztgenannte Sicherungsantrag. Das an das Erstgericht gerichtete Herausgabebegehren war bislang noch nicht Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung.

OGH: Der OGH hat mehrfach ausgesprochen, dass die Gründe, aus welchen das Judikat 237 Alimentationsansprüche pflegebefohlener Kinder gegen ihre Eltern in das Außerstreitverfahren verwiesen hat, auch in dem Fall, dass dem Kind ein ihm nach dem Gesetz gebührendes Vermögen - Geldbeträge, Kleidungs- und Gebrauchsgegenstände usw - von einem Elternteil vorenthalten werden, den Rechtsweg für den diesbezüglichen Herausgabeanspruch als ausgeschlossen erscheinen lassen. Dabei wurde auf die Pflicht des Pflegschaftsgerichts zur amtswegigen Wahrnehmung der Ansprüche des Pflegebefohlenen gegenüber dem vermögensverwaltenden Vater und zum Einschreiten bei Missbrauch der elterlichen Gewalt hingewiesen und der Standpunkt vertreten, dass das Vorenthalten eines dem minderjährigen Kind nach dem Gesetz zukommenden Vermögens durch einen Elternteil einem Missbrauch der elterlichen Gewalt und einer Nichterfüllung der mit dieser Gewalt verbundenen Pflichten gleichkommt. Die diesen Entscheidungen zu Grunde liegenden Sachverhalte waren dadurch gekennzeichnet, dass die Rechte der Minderjährigen gar nicht strittig waren, sodass der gesetzliche Vertreter keine sein Verhalten rechtfertigenden Befugnisse ins Treffen führen konnte. Fehlt diese Voraussetzung, ist hingegen der streitige Rechtsweg zu beschreiten.

In diesem Fall geht es aber nicht um die Verwaltung des Vermögens Minderjähriger durch den Obsorgeberechtigten (Vater), sondern um die Herausgabe von Vermögensbestandteilen, die die nicht obsorgeberechtigte Mutter in Händen haben soll. Das außerstreitige Verfahren ist nur für den Missbrauch der Vermögensverwaltungsbefugnis des Obsorgeberechtigten vorgesehen (§ 133 AußStrG). Der Herausgabeanspruch der Minderjährigen ist daher auf dem streitigen Rechtsweg zu verfolgen.

In welchem Verfahren eine Rechtssache zu behandeln und zu erledigen ist, richtet sich nicht nach der Bezeichnung durch die Partei, sondern nach dem Inhalt des Begehrens und des Vorbringens der Partei. Ist zweifelhaft, welches Verfahren anzuwenden ist, so hat das Gericht darüber zu entscheiden; dieser Beschluss ist selbständig anfechtbar (§ 40a JN). Ein in der falschen Verfahrensart gestelltes Rechtsschutzgesuch ist nicht zurückzuweisen, sondern umzudeuten und im richtigen Verfahren zu behandeln. Dies gilt ungeachtet der Anordnung des § 56 Abs 1 AußStrG, wonach in einer Sache, die nicht auf den außerstreitigen Rechtsweg gehört, ein angefochtener Beschluss vom Rekursgericht aufzuheben und das vorangegangene Verfahren für nichtig zu erklären und der ihm vorangegangene Antrag zurückzuweisen sei, zumal durch § 56 Abs 1 AußStrG § 40a JN nicht derogiert wurde. Eine Zurückweisung eines im außerstreitigen Verfahren gestellten Antrags wegen Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs kommt nur in Betracht, wenn das Gericht für das richtige Verfahren nicht sachlich und örtlich zuständig und auch nicht § 44 JN anzuwenden ist. Sonst ist über den Antrag als Klage im streitigen Verfahren - wenn mehrere Gerichtsabteilungen bestehen - durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richter zu verhandeln und zu entscheiden.

Im vorliegenden Fall ist das angerufene BG, in dessen Sprengel sowohl der Antragsteller als auch die Antragsgegnerin wohnen, örtlich zuständig. Auch die sachliche Zuständigkeit liegt vor, weil die von den Minderjährigen jeweils beanspruchten Sparbücher behauptetermaßen einen jeweils 10.000 EUR nicht übersteigenden Einlagestand aufweisen bzw aufweisen sollen. Bei Ansprüchen auf Herausgabe von Sparbüchern inländischer zahlungsfähiger Banken ist keine Bewertung des Begehrens nötig.

§ 40a JN ist auch dann anzuwenden, wenn sich die bis zum Eintritt der Rechtskraft von Amts wegen wahrzunehmende Unzulässigkeit des (außer-)streitigen Rechtswegs erst im Rechtsmittelverfahren herausstellt, es sei denn, es wäre nach § 42 Abs 3 JN schon bindend über die Zulässigkeit des (außer-)streitigen Rechtswegs abgesprochen worden. Der verfahrenseinleitende Akt wird somit von der Nichtigkeit eines nicht in der richtigen Verfahrensart abgewickelten Verfahrens nicht erfasst.

Im vorliegenden Fall ist infolge Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs der vom Rechtspfleger dennoch in diesem Verfahren gefasste Beschluss im Sicherungsverfahren infolge Überschreitung dessen Entscheidungsbefugnis nichtig und daher aufzuheben, mangels (bislang) vorliegender Hinweise auf die örtliche und sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts der Sicherungsantrag, der mit dem Begehren auf Herausgabe verbunden wurde, aber noch nicht zurückzuweisen.

Das Erstgericht wird (durch den für Streitsachen zuständigen Richter) neuerlich zu entscheiden haben. Dies gilt auch für das Verfahren über den bislang noch nicht Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen gewesenen, als Herausgabeklage zu behandelnden Herausgabeantrag des Vaters (Verbesserungsverfahren).