02.12.2010 Verfahrensrecht

OGH: Zum Rekurs (hier: des Bundeskartellanwalts)

Die Entscheidungsgründe als solche sind kein Gegenstand eines Rechtsmittels; Anderes gilt nur in den Fällen der Bekämpfung eines Zwischenurteils, eines Aufhebungsbeschlusses oder einer Entscheidung über eine Rechtsgestaltungsklage nach § 105 ArbVG


Schlagworte: Rechtsmittel, Rekurs, Berufung, Beschwer, Kartellrecht, Bundeswettbewerbsbehörde, Bundeskartellanwalt, Amtspartei, Entscheidungsgründe
Gesetze:

§§ 514 ff ZPO, §§ 461 ff ZPO, § 40 KartG, § 2 Abs 1 Z 4 AußStrG

GZ 16 Ok 6/10, 04.10.2010

OGH: Der Bundeskartellanwalt hat als Amtspartei iSd § 2 Abs 1 Z 4 AußStrG auch dann Parteistellung, wenn er nicht Antragsteller ist (§ 40 KartG). Damit kommt dem Bundeskartellanwalt - ebenso wie der Bundeswettbewerbsbehörde - Rekurslegitimation auch dann zu, wenn er sich am erstinstanzlichen Verfahren nicht beteiligt hat.

In der E 16 Ok 5/07 hat der OGH die als "Rekursbeantwortung" bezeichnete Äußerung der Bundeswettbewerbsbehörde, in der sie inhaltlich das Begehren der Rekurswerberin unterstützte und sich daher in Wahrheit gegen die erstinstanzliche Entscheidung wandte, als Rekurs qualifiziert und wegen Verspätung zurückgewiesen. Entscheidend ist daher die Zielrichtung der vom Bundeskartellanwalt erstatteten Eingabe. Im vorliegenden Fall verteidigt der Bundeskartellanwalt nicht die erstinstanzliche Entscheidung (in welchem Fall es sich inhaltlich um eine Rekursbeantwortung handeln würde), sondern bekämpft ausdrücklich deren Richtigkeit. Der Rekurs des Bundeskartellanwalts begehrt ausdrücklich die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Damit ist aber die - eine Zulässigkeitsvoraussetzung für die Erhebung eines Rechtsmittels bildende - Beschwer zu bejahen. Weil sich der Bundeskartellanwalt am erstinstanzlichen Verfahren nicht beteiligt hat, reicht dafür grundsätzlich aus, dass ein Verfahren noch anhängig ist, und er in seinem Rechtsmittel dem Spruch der Entscheidung entgegen tritt, indem er deren Abänderung oder - wie im vorliegenden Fall - Aufhebung begehrt.

Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass sich der Rekurs inhaltlich nur gegen die Verneinung der Unternehmereigenschaft der Masse und der für sie handelnden Masseverwalterin richtet. Nun kann grundsätzlich nur der durch den Spruch Beschwerte Rechtsmittel ergreifen; aus den Entscheidungsgründen kann eine Beschwer in der Regel nicht abgeleitet werden. Die Entscheidungsgründe als solche sind kein Gegenstand eines Rechtsmittels. Anderes gilt nur in den hier nicht vorliegenden Fällen der Bekämpfung eines Zwischenurteils, eines Aufhebungsbeschlusses oder einer Entscheidung über eine Rechtsgestaltungsklage nach § 105 ArbVG. Im vorliegenden Fall greift der Bundeskartellanwalt hingegen zwar nur einen Teil der Argumentation des Erstgerichts an, wendet sich aber gleichwohl ausdrücklich auch gegen den Spruch des Erstgerichts, indem er die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung begehrt. Damit liegt aber gerade keine unzulässige Bekämpfung bloß der Entscheidungsgründe vor, sodass die Beschwer des Bundeskartellanwalts zu bejahen ist.