09.05.2007 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Die Vereinbarung, die mit der Bestellung des bisherigen Angestellten zum Organmitglied fällig gewordene Abfertigung nicht auszuzahlen, sondern weiterhin die Abfertigungsregelung nach dem AngG unter Einbeziehung der als Angestellter zurückgelegten Zeiten beizubehalten, ist grundsätzlich wirksam und schiebt die Fälligkeit auch des nach dem IESG gesicherten, aus dem Angestelltenverhältnis erfließenden Abfertigungsanspruches hinaus


Schlagworte: Sozialrecht, Insolvenz-Ausfallgeld, beherrschender Einfluss, Abfertigungsanspruch
Gesetze:

§ 1 Abs 6 Z 2 IESG

In seinem Beschluss vom 22.02.2007 zur GZ 8 ObS 6/07a hat sich der OGH mit dem beherrschenden Einfluss iSd § 1 Abs 6 Z 2 IESG befasst:

Der Kläger war seit 1986 als Angestellter bei der C*****gesellschaft mbH beschäftigt. Im Jahr 1993 übernahmen der Stiefvater des Klägers und dieser selbst je einen Geschäftsanteil von 25 %. Der Gesellschaftsvertrag sah bereits damals vor, dass Beschlüsse der Gesellschafter deren Einstimmigkeit erfordern. Die jeweils 25 %-ige Beteiligung wurde gewählt, damit die Gesellschafter gleichzeitig in einem Angestelltenverhältnis zur Gesellschaft verbleiben könnten. 1998 wurde der Kläger neben seinem Stiefvater zum weiteren, ebenfalls allein vertretungsbefugten handelsrechtlichen Geschäftsführer bestellt. 2005 wurde der Konkurs über das Vermögen der C*****gesellschaft mbH eröffnet

Dazu der OGH: Das Tatbestandsmerkmal des beherrschenden Einflusses im Sinn des § 1 Abs 6 Z 2 IESG ist nicht nur dann erfüllt, wenn der Gesellschafter kraft seines Beteiligungsverhältnisses (Mehrheitsgesellschafter) die Beschlussfassung in der Generalversammlung im Wesentlichen allein bestimmen kann, sondern auch dann, wenn er über einen solchen Anteil verfügt, der ihn in die Lage versetzt, eine Beschlussfassung auch in der Generalversammlung zu verhindern. Beherrschender Einfluss kommt einem Minderheitsgesellschafter einer GmbH dann zu, wenn ihm durch Festlegung höherer Quoten für im Rahmen der Unternehmensführung wesentliche, andere als die ohnehin nach dem Gesetz nur mit qualifizierter Mehrheit zu beschließenden Angelegenheiten, eine Sperrminorität eingeräumt wird.

Die Bestimmung des § 1 Abs 6 Z 2 IESG ist teleologisch dahin zu reduzieren, dass Arbeitnehmer, die später eine der im Gesetz genannten Funktionen im Unternehmen übernehmen, für die vor diesem Zeitpunkt liegende unselbständige Tätigkeit ihres Anspruches auf Abfertigung nicht verlustig gehen. Die Vereinbarung, die mit der Bestellung des bisherigen Angestellten zum Organmitglied fällig gewordene Abfertigung nicht auszuzahlen, sondern weiterhin die Abfertigungsregelung nach dem AngG unter Einbeziehung der als Angestellter zurückgelegten Zeiten beizubehalten, ist grundsätzlich wirksam und schiebt die Fälligkeit auch des nach dem IESG gesicherten, aus dem Angestelltenverhältnis erfließenden Abfertigungsanspruches hinaus. Eine solche Vereinbarung kann auch stillschweigend getroffen werden. Dabei ist der Berechnung des gesicherten Anspruches das letzte Entgelt vor Erlangung der Stellung als Organmitglied bzw als beherrschender Gesellschafter zugrundezulegen.