16.12.2010 Verfahrensrecht

OGH: Aufschiebung der Exekution - zur Offenkundigkeit des Vermögensnachteils iSd § 44 Abs 1 EO bei der Pfändung auf Rechte eines Stifters gegen die Privatstiftung

Bei der Exekution auf die Gesamtrechte des Privatstifters an der Stiftung kann nicht generell gesagt werden, die Gefahr eines unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Vermögensnachteils sei in irgendeinem Verfahrensstadium offenkundig; dies könnte allenfalls bejaht werden, wenn im Verwertungsverfahren der Widerruf der Privatstiftung und damit die Auflösung dieses "eigentümerlosen" Vermögens mit Rechtspersönlichkeit nahe bevorstünde; ein Widerrufsrecht kann aber auch vom betreibenden Gläubiger nur dann ausgeübt werden, wenn sich der Stifter ein solches vorbehalten hat; dass eine bloße Änderung der Stiftungsurkunde zu einem ähnlichen Nachteil des Stifters führen könnte, ist keineswegs offenkundig


Schlagworte: Exekutionsrecht, Exekution auf andere Vermögensrechte, Pfändung, Privatstiftung, Widerruf, Änderung der Stiftungsurkunde, Aufschiebung der Exekution, Bewilligung, Gefahr eines unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Vermögensnachteils, offenkundig
Gesetze:

§ 42 EO, § 44 EO, §§ 331 ff EO

GZ 3 Ob 139/10b, 13.10.2010

OGH: Gem § 44 Abs 1 EO darf die Exekution nur aufgeschoben werden, wenn der Beginn oder die Fortführung für denjenigen, der die Aufschiebung verlangt, mit der Gefahr eines unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Vermögensnachteils verbunden wäre. Ist dieser Umstand nicht offenkundig, so muss der Aufschiebungswerber Umstände konkret behaupten und erforderlichenfalls bescheinigen, aus denen sich die Gefahr eines solchen Nachteils ergibt. Ob ein solcher Vermögensnachteil droht, hängt vom Exekutionsobjekt und von der Exekutionsart ab. Außerdem wird auch (jedenfalls bei manchen Exekutionsarten bzw -objekten) nach dem Stand des Verfahrens unterschieden. Als unersetzlich wird ein Schaden etwa dann beurteilt, wenn die Gefahr droht, dass eine Speziessache (bei ohnehin zum Verkauf bestimmten Waren könnte dagegen die Gefahr wohl mit gutem Grund verneint werden), wie etwa ein Grundstück, endgültig verloren geht und nicht mehr beschafft werden kann. Als offenkundig gilt eine Gefahr iSd § 44 EO ganz allgemein bei der Fahrnisexekution, bei der Zwangsversteigerung, wenn die Versteigerung unmittelbar bevorsteht, und bei der Exekution nach §§ 331 ff EO auf GmbH-Anteile, wenn bereits ein Schätzungsgutachten vorliegt und daher der Verkauf des Geschäftsanteils unmittelbar bevorsteht.

Im vorliegenden Verfahren, in dem Gegenstand der Exekution die Gesamtrechte des Verpflichteten als Stifter einer Privatstiftung sind, entschied nun das Erstgericht über den Aufschiebungsantrag des Verpflichteten nur zwei Tage vor jener Tagsatzung, in der über den Verwertungsantrag der Betreibenden verhandelt werden sollte (und auch wurde), weshalb in zeitlicher Nähe zu diesem Termin wohl auch die Entscheidung über den Antrag zu erwarten gewesen wäre. Da die betreibende Partei die Ermächtigung begehrt hatte, die Gesamtrechte des Verpflichteten, insbesondere das umfassende Änderungsrecht der Stiftungsurkunde sowie das Recht auf Übertragung des ihm zustehenden Anteils eines allfälligen Liquidationserlöses, im eigenen Namen auszuüben, kann davon ausgegangen werden, dass eine allfällige den Schaden für den Verpflichteten bewirkende Handlung in sehr naher Zukunft erfolgen hätte können. Dass demnach im maßgeblichen Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung eine Verwertung noch in weiter Ferne gelegen wäre, wie das Rekursgericht anscheinend meint, kann daher nicht gesagt werden, bedarf doch eine derartige Verfügung keines besonderen organisatorischen Aufwands.

Dennoch ist dem Gericht zweiter Instanz im Ergebnis zuzustimmen. Bei der Exekution auf die Gesamtrechte des Privatstifters an der Stiftung kann nicht generell gesagt werden, die Gefahr eines unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Vermögensnachteils sei in irgendeinem Verfahrensstadium offenkundig. Dies könnte allenfalls bejaht werden, wenn im Verwertungsverfahren der Widerruf der Privatstiftung und damit die Auflösung dieses "eigentümerlosen" Vermögens mit Rechtspersönlichkeit nahe bevorstünde. Ein solcher Widerruf führt nach § 35 Abs 2 Z 1 PSG über einstimmigen Vorstandsbeschluss oder gerichtliche Entscheidung zur Auflösung der Privatstiftung. Der Auflösung hat die Abwicklung der Stiftung und deren Löschung im Firmenbuch zu folgen (§§ 36, 37 PSG). Demnach führt ein Widerruf der Privatstiftung zu deren endgültigem Untergang. Damit könnte ein dem Verlust einer Speziessache oder eines GmbH-Anteils durchaus vergleichbare Situation angenommen werden. Einer endgültigen Klärung bedarf diese Frage aber nicht. Ein Widerrufsrecht kann auch vom betreibenden Gläubiger nur dann ausgeübt werden, wenn sich der Stifter ein solches vorbehalten hat. Ein gesetzliches Recht zum Widerruf steht ihm ja nicht zu (§ 9 Abs 2 Z 8 iVm § 10 Abs 2 PSG). Im vorliegenden Verfahren bestehen nun keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Verpflichtete ein Widerrufsrecht gegenüber seiner Privatstiftung vorbehalten hätte. Dass auch eine bloße Änderung der Stiftungsurkunde (wie hier im Verwertungsverfahren ausdrücklich von der Betreibenden angestrebt - von der Ermächtigung zu einem Widerruf der Stiftung war im Verfahren nie die Rede) zu einem ähnlichen Nachteil des Stifters führen könnte, ist keineswegs offenkundig. Abgesehen davon, dass ein änderungsberechtigter Stifter im Fall des Obsiegens im Oppositionsprozess Änderungen ja wieder rückgängig machen könnte, zielt das Exekutionsverfahren hier va auf die Erwirkung monatlicher Ausschüttungen an den Verpflichteten ab, also auf die Schaffung einer zukünftig zustehenden Geldforderung. Auf diese könnte die betreibende Partei dann im Wege der Forderungsexekution greifen. Damit liegt aber in Ansehung der Gefahr nach § 44 EO ein der Forderungsexekution vergleichbarer Fall vor, bei der die Offenkundigkeit der Gefahr verneint wird. Somit kann hier von einer solchen nicht die Rede sein.

Der Verpflichtete hätte eine Gefahr behaupten und allenfalls bescheinigen müssen. Dass er dies nicht tat, hat das Rekursgericht völlig richtig beurteilt. Der Verpflichtete, der sich nach seinem eigenen Vorbringen in der Oppositionsklage in Untersuchungshaft befindet, hat selbst nicht behauptet, er (oder über ihn seine nunmehrige Ehefrau) würde aus der Stiftung ein laufendes Einkommen beziehen. Ein solches wäre im Übrigen (wie auch geschehen) durch Forderungsexekution in Anspruch zu nehmen und ist daher nicht Gegenstand der vorliegenden Exekution nach den §§ 331 ff EO. Sonstige Umstände hat er aber nicht geltend gemacht.