23.12.2010 Verfahrensrecht

OGH: Bedingte Prozesshandlungen (hier: bedingter Antrag auf Erlassung eines Versäumungsurteils)

Bedingte Prozesshandlungen werden nur dann für unzulässig angesehen, wenn sie an ein außerprozessuales Ereignis geknüpft werden; Bedingungen, die an innerprozessuale Tatsachen und Vorgänge geknüpft werden, sind hingegen zulässig, sofern dadurch nicht die Vorhersehbarkeit des weiteren Prozessablaufs in unerträglicher Weise beeinträchtigt wird


Schlagworte: Bedingte Prozesshandlungen, Antrag auf Erlassung eines Versäumungsurteils
Gesetze:

§ 226 ZPO

GZ 8 ObA 45/10s, 22.07.2010

Kurz vor Beginn der vorbereitenden Tagsatzung rief der Geschäftsführer der Beklagten in der Gerichtskanzlei an und teilte mit, er könne wegen einer Erkrankung nicht zur Verhandlung kommen. In der vorbereitenden Tagsatzung, zu der für die Beklagte niemand erschienen war, fasste das Erstgericht den Beschluss, dem Geschäftsführer die Vorlage einer Krankenstandsbestätigung einschließlich einer Stellungnahme zur Ausgehfähigkeit innerhalb einer Frist von drei Tagen aufzutragen. Der Kläger beantragte daraufhin "für den Fall der nicht bzw nicht rechtzeitigen Vorlage bzw Vorlage einer Bestätigung nicht in der geforderten Qualität" die Erlassung eines Versäumungsurteils.

OGH: Das Berufungsgericht steht auf dem Standpunkt, dass der bloß bedingte Antrag auf Erlassung des Versäumungsurteils als nicht gestellt gelte, daher in der vorbereitenden Tagsatzung Ruhen des Verfahrens mit Unterbrechungswirkung eingetreten sei, während der Unterbrechungswirkung ein Rechtsmittel nur wegen Verstoßes gegen die Unterbrechungswirkung erhoben werden könne, aus diesem Grund ein zulässiges Rechtsmittel nicht vorliege und die Nichtigkeit des Versäumungsurteils daher nicht aufgegriffen werden könne. Maßgebend für den Zurückweisungsbeschluss des Berufungsgerichts ist somit die Qualifikation des Antrags auf Erlassung des Versäumungsurteils als unzulässige bedingte Prozesshandlung. Dieser Beurteilung kann nicht beigetreten werden.

Der Kläger weist in seinem Rekurs zutreffend darauf hin, dass bei der Auslegung von Prozesshandlungen nach deren objektivem Erklärungsinhalt jener Variante der Vorzug zu geben ist, die es erlaubt, eine prozessuale Willenserklärung als wirksame Prozesshandlung anzusehen. Bedingte Prozesshandlungen werden nach der Rsp allerdings nur dann für unzulässig angesehen, wenn sie an ein außerprozessuales Ereignis geknüpft werden. Bedingungen, die an innerprozessuale Tatsachen und Vorgänge geknüpft werden, sind hingegen zulässig, sofern dadurch nicht die Vorhersehbarkeit des weiteren Prozessablaufs in unerträglicher Weise beeinträchtigt wird. In diesem Sinn erlaubt etwa § 261 Abs 6 ZPO dem Kläger einen Überweisungsantrag an das von ihm namhaft gemachte Gericht für den Fall, dass das angerufene Gericht der vom Beklagten erhobenen Einrede der Unzuständigkeit stattgibt, auch sind Prozesshandlungen, die ein gem § 38 ZPO vorläufig zugelassener Vertreter vornimmt, bedingt wirksam.

Auch im vorliegenden Fall hing die vom Kläger formulierte Einschränkung seines Urteilsantrags nur von einer davor angekündigten Entscheidung des Gerichts, also einem innerprozessualen Vorgang, ab. Der Kläger hat nicht von sich aus eine Bedingung gestellt, sondern das Gericht hat zu erkennen gegeben, dass es seine Entscheidung über den weiteren Fortgang des Verfahrens von der Vorlage der aufgetragenen Bestätigung abhängig machen werde. Die vom Kläger formulierte Bedingung konnte aus diesem Grund auch keinen Einfluss auf den Fortgang des Verfahrens haben. Eine allenfalls in diesem Punkt unzutreffende Beurteilung der verfahrensrechtlichen Voraussetzungen durch das Erstgericht kann nicht einer Partei angelastet werden.