30.12.2010 Verfahrensrecht

OGH: Ablehnung von Richtern wegen Befangenheit nach § 19 Z 2 JN - zur Frage, ob aus der Formulierung "unangebrachter Zynismus" im Rahmen der Behandlung der Rechtsrüge der Anschein der Voreingenommenheit der Mitglieder des abgelehnten Berufungssenats abgeleitet werden kann

Derartige (Ab-)Qualifizierungen von Rechtsmeinungen der Parteien in Gerichtsurteilen sind grundsätzlich zu vermeiden


Schlagworte: Ablehnung von Richtern, Befangenheit, unangebrachter Zynismus
Gesetze:

§ 19 Z 2 JN

GZ 2 Ob 96/10x, 15.09.2010

OGH: Ein Richter ist nach § 19 Z 2 JN befangen, wenn Umstände vorliegen, die es nach objektiver Prüfung und Beurteilung rechtfertigen, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Befangen ist ein Richter, der nicht unparteiisch entscheidet, sondern sich von unsachlichen psychologischen Motiven leiten lässt. Weder die (angebliche) Unrichtigkeit einer Gerichtsentscheidung noch die Vertretung einer bestimmten Rechtsmeinung durch den Richter sind im Allgemeinen ein Ablehnungsgrund. Auch Verfahrensmängel oder eine unrichtige Beweiswürdigung rechtfertigen in der Regel eine Ablehnung nicht, es sei denn, die Verstöße wären so schwerwiegend, dass sie die mangelnde Objektivität des Richters erkennen lassen. Sinn und Zweck der Ablehnung wegen Besorgnis einer Befangenheit ist nicht die Abwehr einer unrichtigen Rechtsauffassung des Richters. Die Unrichtigkeit seiner Entscheidung ist vielmehr durch die Rechtsmittelinstanzen zu überprüfen und keine Angelegenheit des Ablehnungsverfahrens.

Zur Frage, ob aus der Formulierung "unangebrachter Zynismus" im Rahmen der Behandlung der Rechtsrüge der Anschein der Voreingenommenheit der Mitglieder des abgelehnten Berufungssenats abgeleitet werden könnte,.ist zunächst festzuhalten, dass derartige (Ab-)Qualifizierungen von Rechtsmeinungen der Parteien in Gerichtsurteilen grundsätzlich zu vermeiden sind (vgl § 53 Abs 3 Geo). Im vorliegenden Fall jedoch wurde von den abgelehnten Richtern zu Recht ins Treffen geführt, dass man sich der Diktion des Klägers (in abgeschwächter Form) in dessen Berufungsbeantwortung bediente, weil von einer in der Berufung behaupteten groben Fahrlässigkeit des Klägers als Opfer des tragischen Verkehrsunfalls nicht die Rede sein könne. Mag daher die übernommene Formulierung entbehrlich gewesen sein, so ergibt sich daraus jedenfalls noch nicht, dass sich der Berufungssenat von vornherein mit der Position der Beklagten gar nicht ernsthaft auseinandersetzen wollte.