30.12.2010 Verfahrensrecht

OGH: Rügepflicht iSd § 196 ZPO iZm mittelbarer Beweisaufnahme iSd § 281a ZPO

Nach stRsp sind Stoffsammlungsmängel, wozu auch die Unterlassung der Einvernahme von zu entscheidungswesentlichen Beweisthemen beantragten Zeugen gehört, nicht rügepflichtig iSv § 196 ZPO; der Kläger als Privatbeteiligter im Strafverfahren ist als "Partei" eines früheren gerichtlichen Verfahrens iSd § 281a ZPO anzusehen


Schlagworte: Rüge von Mängeln, mittelbare Beweisaufnahme
Gesetze:

§ 196 ZPO, § 281a ZPO

GZ 2 Ob 150/10p, 11.11.2010

Die Rekurswerber meinen, § 281a ZPO regle entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lediglich die äußere Form der Durchführung einer Beweisaufnahme, nämlich in Form der "Verwendung" von bereits in anderen Verfahren aufgenommenen Beweisen, weshalb Fehler iZm einer derartigen Beweisaufnahme der Rügepflicht des § 196 ZPO unterlägen. Dieser Rügepflicht habe der Kläger nicht entsprochen, weshalb der Berufung nicht Folge zu geben gewesen wäre.

OGH: Nach stRsp sind Stoffsammlungsmängel, wozu auch die Unterlassung der Einvernahme von zu entscheidungswesentlichen Beweisthemen beantragten Zeugen gehört, nicht rügepflichtig iSv § 196 ZPO.

Im vorliegenden Fall ist die Einvernahme der vom Kläger beantragten Zeugen zwar durch das Erstgericht unterblieben. Dieses hat aber die in einem anderen Gerichtsverfahren (Strafverfahren) abgelegten Zeugenaussagen für seine Beweiswürdigung verwertet. Es liegt somit eine mittelbare Beweisaufnahme vor, die in § 281a ZPO geregelt ist.

Der Kläger als Privatbeteiligter im Strafverfahren ist als "Partei" eines früheren gerichtlichen Verfahrens iSd § 281a ZPO anzusehen. Auf ihn ist daher § 281a Z 1 ZPO anzuwenden. Nach lit a dieser Bestimmung ist die mittelbare Beweisaufnahme dann zulässig, wenn nicht eine der Parteien ausdrücklich das Gegenteil beantragt.

Dies hat der Kläger hier zwar iZm der "Einsicht" in dem Strafakt nicht getan. Der Erstrichter hat aber die Frage, ob die beantragten Zeugen einvernommen werden, zunächst ausdrücklich offen gelassen und späteren Erörterungen, die aber nicht erfolgt sind, vorbehalten. Seine Absicht, die im Strafverfahren abgelegten Zeugenaussagen für seine Beweiswürdigung zu verwerten, war somit dem Kläger nicht erkennbar. Dieser konnte den Umstand, dass die Zeugen nicht einvernommen wurden, nämlich durchaus auch so deuten, der Erstrichter erachte deren Einvernahme nicht für nötig, etwa weil er von den von den Zeugen zu erweisenden Umständen ohnehin schon überzeugt war.

Mangels Erörterung, ob die Beweisaufnahme auch mittelbar durchgeführt werden könne, hatte der Kläger keinen Anlass, keine Möglichkeit und auch keine prozessuale Obliegenheit, "ausdrücklich das Gegenteil zu beantragen"; vielmehr ist das erstinstanzliche Verfahren deshalb mangelhaft geblieben.