30.12.2010 Verfahrensrecht

OGH: Zur Frage der Intensität der Beweislast abwesender Unterhaltsberechtigter

Zu einer Verschiebung der Beweislast kommt es (nur) dann, wenn für die eine Partei mangels genauer Kenntnis der Tatumstände ganz besondere, unverhältnismäßige Beweisschwierigkeiten bestehen, während der anderen Partei diese Kenntnisse zur Verfügung stehen und es ihr nicht nur leicht möglich, sondern nach Treu und Glauben auch ohne weiteres zumutbar ist, die erforderlichen Aufklärungen zu geben


Schlagworte: Familienrecht, Unterhalt, Beweislast, Bescheinigungslast
Gesetze:

§§ 266 ff ZPO, § 140 ABGB, § 94 ABGB

GZ 6 Ob 198/10a, 11.10.2010

OGH: Es entspricht einem allgemeinen Grundsatz, dass jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu behaupten und zu beweisen hat. Dies gilt auch im Unterhaltsprozess und im Verfahren zur Festsetzung einstweiligen Unterhalts nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO. Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn im Einzelfall der Nachweis schwierig oder gar nicht möglich ist. Deshalb sind die Voraussetzungen für den Unterhaltsanspruch eines geschiedenen Ehegatten nach den Bestimmungen des EheG vom Unterhaltskläger zu behaupten und zu beweisen, im Provisorialverfahren zu behaupten und zu bescheinigen.

Eine Verschiebung der Beweislast (Bescheinigungslast) ist nach stRsp auf Ausnahmefälle beschränkt, in denen die "Nähe zum Beweis" - im Einzelfall - den Ausschlag für die Zuteilung der Beweislast (Bescheinigungslast) gibt; etwa dann, wenn Tatfragen zu klären sind, die "tief in die Sphäre einer Partei hineinführen". Voraussetzung dafür ist aber immer, dass derjenige, den die Beweislast (Bescheinigungslast) nach der allgemeinen Regel trifft, seiner Beweispflicht (Bescheinigungspflicht) in dem ihm zumutbaren Ausmaß nachkommt. Zu einer Verschiebung der Beweislast kommt es - in der dargelegten Situation - also (nur) dann, wenn für die eine Partei mangels genauer Kenntnis der Tatumstände ganz besondere, unverhältnismäßige Beweisschwierigkeiten bestehen, während der anderen Partei diese Kenntnisse zur Verfügung stehen und es ihr nicht nur leicht möglich, sondern nach Treu und Glauben auch ohne weiteres zumutbar ist, die erforderlichen Aufklärungen zu geben; allein durch einen Beweisnotstand wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls ist eine Verschiebung der Beweislast hingegen nicht gerechtfertigt.