03.02.2011 Verfahrensrecht

OGH: Grundbuchsverfahren - zur Frage des Beginns der Rechtsmittelfrist für die Agrarbehörde

Fällt der Rekurswerber nicht unter die gem § 119 GBG zu verständigenden Personen, weil er seine Rekurslegitimation nur auf § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG stützt, dann läuft für ihn keine eigene Rechtsmittelfrist, sondern er kann ein Rechtsmittel nur innerhalb der den Parteien offen stehenden Frist einbringen; das wurde auch für die Finanzprokuratur judiziert, wenn sie zum Schutz öffentlicher Interessen einschreitet; nichts anderes kann für die Agrarbehörde gelten, wenn sie die Einhaltung bundes- und landesgesetzlicher Bestimmungen, also öffentliche Interessen sichern will


Schlagworte: Grundbuchsrecht, Außerstreitverfahren, Agrarbehörde, Rechtsmittelfrist, Rekurs, (formelle) Rechtskraft
Gesetze:

§ 123 GBG, § 119 GBG, § 45 AußStrG, § 46 AußStrG, § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG

GZ 5 Ob 35/10y, 31.08.2010

Mit Schreiben vom 11. 9. 2009 ersuchte die Agrarbehörde um Zustellung des Beschlusses des Erstgerichts vom 7. 8. 2001, weil ihr erst am 8. 9. 2009 die Verbücherung des Kaufvertrags vom 3. 3. 2001 zur Kenntnis gelangt sei. Die daraufhin vom Erstgericht verfügte Zustellung erfolgte am 17. 9. 2009.

Am 24. 9. 2009 langte der von der Agrarbehörde verfasste Rekurs beim Erstgericht ein. Ihr werde von der Rsp ein Rekursrecht zwecks Einhaltung bundes- oder landesgesetzlicher Bestimmungen zugestanden. Mangels nach § 38 TFLG erforderlicher agrarbehördlicher Genehmigung der Absonderung eines Anteilsrechts hätte das Grundbuchsgesuch abgewiesen werden müssen.

OGH: Im Revisionsrekursverfahren ist unstrittig, dass der Erwerb der 16,50 Anteilsrechte an der Agrargemeinschaft mit Kaufvertrag vom 3. 3. 2001 durch die Antragsteller wegen der damit verbundenen Absonderung von der Stammsitzliegenschaft EZ 90064 gem § 17 Abs 2 Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 BGBl 103 (FlVfGG) und § 38 Abs 3 TFLG 1996 der Bewilligung der Agrarbehörde bedurft hätte, jedoch eine solche fehlt.

Aus der Genehmigungspflicht des § 17 Abs 2 FlVfGG allein ist aber eine Verpflichtung zur Zustellung des Grundbuchsbeschlusses an die Agrarbehörde nicht abzuleiten. Sie ist auch sonst nicht im Gesetz angeordnet.

§ 45 Abs 3 FlVfGG und § 82 Abs 3 TFLG 1996 verpflichten das Grundbuchsgericht zwar (nach dem Wortlaut unbedingt: "sind"), sämtliche Entscheidungen mit Ausnahme der Rangordnungsbeschlüsse auch der Agrarbehörde zuzustellen. Diese Bestimmungen finden sich aber unter der Überschrift "Entscheidung der Agrarbehörde über die Zulässigkeit der Eintragung" und stehen daher offenkundig iZm der (weiteren) Verpflichtung der Grundbuchsgerichte nach § 43 FlVfGG und § 79 TFLG 1996, nach Einlangen der Mitteilung über die Einleitung von Agrarverfahren bis zu deren Abschluss (mit hier nicht relevanten Ausnahmen) alle während dieses Zeitraums einlangenden sowie die schon vorher eingelangten, aber noch nicht erledigten Grundbuchsgesuche mit einem Beschlussentwurf der Agrarbehörde zu übermitteln; diese hat nach § 45 Abs 1 und 2 FlVfGG und § 82 Abs 1 und 2 TFLG 1996 für das Grundbuchsgericht bindend zu entscheiden, ob sie den Beschlussentwurf mit dem laufenden Agrarverfahren für vereinbar hält oder nicht. Die im unmittelbaren Anschluss daran (in § 45 Abs 3 FlVfGG und § 82 Abs 3 TFLG 1996) normierte Verpflichtung zur Zustellung betrifft daher nur die nach der Befassung der Agrarbehörde ergangenen, in einem agrarischen Verfahren verfangene Liegenschaften betreffenden Beschlüsse. Damit wird keine generelle, von der Einleitung eines Agrarverfahrens unabhängige Verpflichtung normiert, die Agrarbehörde von allen agrargemeinschaftliche Liegenschaften (§ 38 Abs 2 TFLG) betreffenden Grundbuchsbeschlüssen zu verständigen.

Kann aber der Rekurswerber seine Rekurslegitimation - allenfalls - nur auf § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG 2005 stützen, dann läuft für ihn keine eigene Rechtsmittelfrist, sondern er kann ein Rechtsmittel nur innerhalb der den Parteien offen stehenden Frist einbringen. Das wurde auch für die Finanzprokuratur judiziert, wenn sie gem § 1 Abs 3 ProkuraturG aF (nunmehr: § 3 Abs 6 ProkG 2008) zum Schutz öffentlicher Interessen einschreitet. Nichts anderes kann für die Agrarbehörde gelten, wenn sie die Einhaltung bundes- und landesgesetzlicher Bestimmungen, also öffentliche Interessen sichern will.

Der gegenteiligen Ansicht von Rechberger/Bittner ist nicht zu folgen. Es ist anerkannt, dass Entscheidungen im Grundbuchsverfahren in (formelle) Rechtskraft erwachsen, wenn sie nicht weiter angefochten werden können, sei es, dass die letzte Instanz entschieden hat, sei es, dass ein weiteres Rechtsmittel wegen Ablaufs der Rechtsmittelfrist oder aus anderen Gründen (Rechtsmittelverzicht oder Rechtsmittelzurücknahme) nicht mehr in Betracht kommt; entscheidend ist die Zustellung an alle nach dem Grundbuchsstand zur Zeit der erstinstanzlichen Entscheidung Berechtigten. Ist aber das Erstgericht seiner Pflicht zur Zustellung seines Bewilligungsbeschlusses vollständig nachgekommen, trat dessen (formelle) Rechtskraft mit Ablauf der Rechtsmittelfrist bereits im Jahr 2001 ein. Die Berücksichtigung eines nach Eintritt der Rechtskraft erhobenen Rekurses würde eine Einschränkung der bereits eingetretenen Rechtskraft zu Lasten der Rechtssicherheit bedeuten, die sowohl dem GBG als auch dem AußStrG fremd ist. Vielmehr nimmt auch die gesetzliche Regelung des § 46 Abs 2 AußStrG, wonach für nicht aktenkundige Parteien die Rekursfrist an die den aktenkundigen Parteien offen stehende Rekursfrist geknüpft ist, im Interesse der Rechtssicherheit Beschränkungen des Rechtsschutzes Dritter in Kauf.

Der erst 2008 eingebrachte Rekurs der Agrarbehörde erweist sich daher als verspätet und kann im Grundbuchsverfahren generell nicht berücksichtigt werden.