10.02.2011 Verfahrensrecht

OGH: Im Fall einer aus mehreren konkurrierenden Anspruchsgründen begehrten Pauschalsumme erfordert das Bestimmtheitsgebot des § 226 ZPO nicht nur eine Aufschlüsselung, sondern auch die Reihung der Begehren

Es darf nicht dem Gericht überlassen bleiben, welchem der Begehren es stattgeben will; ohne Reihung ist eine alternative Klagenhäufung grundsätzlich unzulässig


Schlagworte: Klage, konkurrierende Anspruchsgründe, alternative Klagenhäufung, Bestimmtheitsgebot
Gesetze:

§ 226 ZPO

GZ 8 Ob 6/10f, 21.12.2010

OGH: Die Klägerin begehrt Schadenersatz aus zwei verschiedenen schadensstiftenden Ereignissen mit einem einzigen - weit unter dem jeweils behaupteten tatsächlichen Schaden liegenden - Betrag. In diesem Fall einer aus mehreren konkurrierenden Anspruchsgründen begehrten Pauschalsumme erfordert das Bestimmtheitsgebot des § 226 ZPO nicht nur eine Aufschlüsselung, sondern auch die Reihung der Begehren. Es darf nicht dem Gericht überlassen bleiben, welchem der Begehren es stattgeben will. Ohne Reihung ist eine alternative Klagenhäufung grundsätzlich unzulässig, weil es ohne eindeutige Individualisierung des Anspruchs bei Alternativbegehren nicht möglich wäre, den Umfang der Rechtskraft einer Teilabweisung des Zahlungsbegehrens zu bestimmen und damit in einem Folgeprozess die Frage zu beantworten, über welche der eingeklagten Forderungen (ganz oder teilweise) bereits endgültig negativ abgesprochen worden ist.

Der Klägerin ist eine ausreichende Individualisierung ihres Begehrens gelungen, weil sie ihre Forderung primär auf einen behaupteten Schaden durch den Erwerb "fauler Wertpapiere" und nur eventualiter auf den älteren Schaden aus den Spekulationsgeschäften stützt. Daraus ergibt sich aber eine eindeutige Reihenfolge der Verhandlung über diese Sachverhaltskreise.

Dies gilt auch ungeachtet der irreführenden Fassung des Aufhebungsbeschlusses des Berufungsgerichts im ersten Rechtsgang, der sich seinem Wortlaut nach nur auf den Schaden aus dem Wertpapiergeschäft bezieht. Bei Betrachtung der Entscheidungsgründe des Berufungsgerichts wird nämlich völlig klar, dass es in Bezug auf das Zahlungsbegehren kein (bestätigendes) Teilurteil fällen wollte, sondern bloß von für die Instanz abschließend erledigten Streitpunkten ausgegangen ist. Diese Rechtsansicht bindet den OGH nicht.

Bei Geltendmachung eines Eventualbegehrens ist über den bloß hilfsweise gestellten Urteilsantrag nur dann und insoweit zu entscheiden, als das Hauptbegehren scheitert. Die Verhandlung und Entscheidung über das Hilfsbegehren hängt von der zulässigen innerprozessualen Bedingung ab, dass ein unbedingt gestelltes Hauptbegehren zurück- oder abgewiesen wird. Eine Verhandlung und Entscheidung über das Eventualbegehren hat daher erst nach Spruchreife des Hauptbegehrens im abweisenden Sinn stattzufinden.