17.02.2011 Verfahrensrecht

OGH: Haftung mehrerer säumiger Ersteher - zur Solidarhaftung nach § 155 Abs 1 EO

War das Meistbot des zweiten säumigen Erstehers höher als das des ersten, haftet dieser nur für die Differenz des eigenen Meistbots zum letztlich erzielten Betrag, und zwar solidarisch mit dem zweiten säumigen Ersteher


Schlagworte: Exekutionsrecht, Zwangsversteigerung, Haftung mehrerer säumiger Ersteher, Solidarhaftung
Gesetze:

§ 155 EO

GZ 3 Ob 161/10p, 11.11.2010

OGH: Die EO regelt das Verhältnis der Haftung mehrerer sukzessiv säumiger Ersteher zueinander nicht ausdrücklich. Aus § 155 Abs 1 EO (arg "und sonst ... verursachten Schäden") ist abzuleiten, dass es sich um eine spezielle dem Zivilrecht zuzurechnende Schadenersatzregel handelt. Dem entspricht, dass andere als die nach § 155 Abs 2 EO vom Exekutionsgericht "festzustellenden" Schäden im Klageweg geltend zu machen sind. Ungeachtet des Wortlauts des Abs 1 leg cit geht es nicht nur um eine bloße Haftung, sondern um eine Zahlungsverpflichtung. Schon die ErläutRV der EO sprechen von Ersatz- und (wiederholt) von Zahlungspflichten, wobei aber im Entwurf nur hinsichtlich des Vadiums und der bereits erlegten "Kaufschillingsraten" von Haftung die Rede war. Für den Ausfall am Meistbot und die Kosten der Wiederversteigerung liege gleichsam schon eine Urkunde mit der Kraft eines Exekutionstitels vor, was die sofortige Zwangsvollstreckung in diesem Umfang rechtfertige (siehe nunmehr § 155 Abs 2 dritter Satz EO); nur für weitere Schäden müsse man den Klageweg betreten. Schließlich ist zu betonen, dass diesen Pflichten die Verletzung der nach § 152 Abs 1 EO bestehenden Zahlungspflicht des Erstehers zugrunde liegt.

Gelangt man solcherart zur zivilrechtlichen Qualifikation der Zahlungsverpflichtung säumiger Ersteher, ist schon allein deshalb die Ansicht des Revisionsrekurswerbers abzulehnen, es gebe keine Rechtsgrundlage für eine Solidarhaftung. Vielmehr ist diese - bei wie hier fehlender Bestimmbarkeit der Anteile - aus § 1302 zweiter Satz ABGB (zumindest analog) abzuleiten. Zweck des § 155 EO ist es offenkundig, die Verteilungsmasse und damit die auf das Meistbot Verwiesenen so zu stellen, wie sie stünden, hätte der säumige Ersteher seine Verpflichtung zum pünktlichen Erlag des Meistbots erfüllt. Da aber diese Verpflichtung jeweils nur einmal zu erfüllen wäre, ist kein Grund für die Annahme gegeben, die Regelung des § 155 EO sollte bei mehreren nacheinander säumigen Erstehern die Nutznießer besser stellen als sie es bei Erfüllung der Verpflichtung desjenigen Säumigen gewesen wären, der das höchste Meistbot abgab. Daher wäre eine Kumulierung der Schadenersatzpflichten wegen Ausfalls am Meistbot abzulehnen. Andererseits begründet der Umstand, dass mehrere Säumige denselben Betrag schulden, eben eine Gesamtschuld.

Wenn das Meistbot des zweiten säumigen Erstehers höher war als das des ersten, ist die Verursachung des Mehrbetrags des zweiten Meistbots durch die dem ersten Ersteher vorzuwerfende Unterlassung zu verneinen; seine Haftung bleibt auf die Differenz des eigenen Gebots zu dem letztlich erzielten Betrag beschränkt, denn nur dieser Mehrbetrag wäre der Verteilungsmasse bei ordnungsgemäßer Erfüllung zugeflossen. Der zweite säumige Ersteher kann sich nicht mit Recht darauf berufen, er habe nur die Differenz zwischen seinem (höheren) Meistbot und dem der ersten säumigen Ersteherin zu ersetzen. Abgesehen davon, dass es völlig ungewiss ist, ob von dieser (über das Vadium hinaus) eine Zahlung zu erlangen ist, folgt diese Verpflichtung unmittelbar aus § 155 Abs 1 EO. Es gibt auch keinen Grund für eine Reduktion der Verpflichtung wegen der niedrigeren Schuld der ersten Säumigen.