17.02.2011 Verfahrensrecht

OGH: Zur Frage, ob von der Gesellschaft der gesellschaftsrechtliche Grundsatz der Kapitalerhaltung dem aus der Anfechtung einer Einlageleistung nach den §§ 28 ff KO resultierenden Leistungsanspruch des Masseverwalters entgegengehalten werden kann

Gegenüber der Anfechtung der Einlagenleistung des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft durch den Masseverwalter im Insolvenzverfahren des Gesellschafters kann sich die Gesellschaft nicht auf die Kapitalerhaltungsregeln, insbesondere das Verbot der Einlagenrückgewähr, berufen


Schlagworte: Konkurs-(Insolvenz)Recht, Anfechtung, Einlageleistung eines Gesellschafters, GmbH, Kaduzierungsverfahren
Gesetze:

§§ 28 ff KO (IO), § 66 GmbHG, § 25 GmbHG, § 82 GmbHG

GZ 3 Ob 51/10m, 26.05.2010

Am 18. Juli 2008 eröffnete das Erstgericht das Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen des einzigen Gesellschafters und Geschäftsführers der Beklagten, einer GmbH. Der Kläger wurde zum Masseverwalter bestellt.

Am 19. Februar 2008 überwies der Schuldner 17.500 EUR auf das Geschäftskonto der Beklagten, welches bis dahin mit 13.000 EUR überzogen war. Zu diesem Zeitpunkt war er als Privatperson bereits zahlungsunfähig. Bei Unterbleiben der Überweisung wäre die Beklagte zahlungsunfähig geworden, weil für die nächsten zwei bis drei Monate kein Zahlungseingang auf dem Geschäftskonto zu erwarten war.

OGH: Zu der Frage, ob die Regeln für die Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung im Recht der Kapitalgesellschaften dem Anfechtungsrecht des Masseverwalters im Insolvenzverfahren des Gesellschafters entgegengehalten werden können, schließt sich der OGH der zutreffenden Auffassung des Berufungsgerichts an.

Die in der Lehre (im Anschluss an die überwiegende deutsche LuRsp) auch in Österreich überwiegend vertretene Meinung löst das Spannungsverhältnis zwischen den Kapitalerhaltungsvorschriften und den Regeln der Konkursanfechtung in Richtung eines Vorrangs letzterer. Die Möglichkeit der Konkurs- bzw Gläubigeranfechtung wird somit anerkannt. Das Verbot der Einlagenrückgewähr betreffe das Verhältnis der Gesellschaft und ihrer Gläubiger zum Gesellschafter, während es bei der Anfechtung um Interessen Dritter gehe. Dritte und somit auch Gläubiger des Gesellschafters seien aber grundsätzlich nicht, sondern vielmehr nur in Aufnahmefällen von den Kapitalerhaltungsregeln erfasst. Die Schranke der Kapitalerhaltung greift nur für unmittelbare oder mittelbare Vermögensleistungen der Gesellschaft an ihre Gesellschafter ein, die auf dem Gesellschaftsvertrag beruhen. Stützt sich hingegen die Zahlung auf einen anderen Titel, so ist ein Kapitalfluss von der Gesellschaft an den Gesellschafter oder ihm nahe stehende Personen jedenfalls zulässig. Die Regeln der Kapitalerhaltung gelten also nicht unbeschränkt, sondern betreffen nur das Verhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft. Es sind die Gesellschafter, die durch das Prinzip der beschränkten Haftung privilegiert werden und nur sie müssen sich im Interesse des Rechtsverkehrs an ihren Beitrittsversprechen unter Verpflichtung zur Kapitalaufbringung und -erhaltung festhalten lassen. Bei der Anfechtung geht es aber nicht um den Gesellschafter, sondern um Gläubiger, denen in keiner Weise gesellschaftsvertragliche Pflichten ihres Schuldners zuzurechnen sind. Der Rechtserwerb der GmbH aus der anfechtbaren Einlageleistung hat im Verhältnis zum Masseverwalter oder zum Gläubiger deshalb keinen Bestand, weil sich die GmbH kraft tatsächlicher oder vermuteter Kenntnis von der Benachteiligungsabsicht des Schuldners (einbringenden Gesellschafters) diese zurechnen lassen muss. Die Folge einer zulässigen Konkursanfechtung liegt darin, dass die anfechtbare oder angefochtene Einlageleistung eines Gesellschafters keine Erfüllungswirkung hat, und es wird daher auch nicht die freie Verfügung des Geschäftsführers nach § 10 GmbHG erwirkt. Die Gesellschaft, an die die Einlage erbracht wird und die nunmehr wieder zurückzuzahlen ist, hat die Möglichkeit, die Deckungslücke in der Kapitalaufbringung mit Hilfe eines Kaduzierungsverfahrens gem § 66 GmbHG zu schließen. Da die Einlage zurückgezahlt wird, wird sie somit als nicht rechtzeitig erbracht qualifiziert, was die Gesellschaft berechtigt, das Kaduzierungsverfahren mit dem im § 66 GmbHG vorgesehenen Prozedere einzuleiten. Aus den nachfolgenden Rechtsfolgen für die Gesellschaft, insbesondere dann, wenn die Einlageleistung des einzigen Gesellschafters angefochten wird, darf nicht auf die Unzulässigkeit der Anfechtung und Rückzahlung der Einlage geschlossen werden.