24.02.2011 Verfahrensrecht

OGH: Einfache Streitgenossenschaft iSd § 11 ZPO (hier: iZm PHG)

Die Selbständigkeit der Streitgenossen im Prozess gilt auch für die Rechtsmittel


Schlagworte: Einfache Streitgenossenschaft, Selbständigkeit, Rechtsmittel
Gesetze:

§ 11 ZPO, § 13 ZPO

GZ 2 Ob 136/10d, 21.10.2010

Das Erstgericht hielt für die vom Kläger erlittenen Schmerzen nach einem Unfall am 5. 2. 2008 ein Schmerzengeld von 26.400 EUR für angemessen und verurteilte die Beklagten (die Erstbeklagte als Herstellerin gem § 1 PHG, die Zweitbeklagte als Herstellerin gem § 3 PHG) zur ungeteilten Hand, dem Kläger 26.440 EUR zu bezahlen.

OGH: Die Beklagten sind materielle Streitgenossen gem § 11 Z 1 ZPO, weil sie solidarisch verpflichtet sind. Sie bilden hingegen keine einheitliche Streitpartei gem § 14 ZPO, weil sich die Wirkung des zu fällenden Urteils weder kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses noch kraft gesetzlicher Vorschrift (das PHG enthält keine derartige Norm, § 10 PHG ordnet lediglich Solidarhaftung mehrerer Haftpflichtiger an) auf beide Beklagten erstreckt. Gem § 13 ZPO ist jeder der Streitgenossen dem Gegner gegenüber im Prozess derart selbständig, dass die Handlungen oder Unterlassungen des einen Streitgenossen dem anderen weder zum Vorteil noch zum Nachteil gereichen. Dies gilt auch für die Selbständigkeit der Rechtsmittel. Die Bekämpfung der Schmerzengeldhöhe durch die Erstbeklagte in deren Berufung wirkt sich daher nicht zum Vorteil der Zweitbeklagten aus.

Dem Revisionswerber ist zuzugestehen, dass nach stRsp das Berufungsgericht bei gesetzmäßig ausgeführter Rechtsrüge zwar grundsätzlich die rechtliche Beurteilung allseitig zu überprüfen hat, jedoch bei Vorliegen mehrerer selbständig zu beurteilender Rechtsfragen an eine Beschränkung der Berufungsgründe gebunden ist.

Im vorliegenden Fall hat die Zweitbeklagte in ihrer Berufung in der Rechtsrüge zwar nicht ausdrücklich die Höhe des Schmerzengelds bekämpft. Mit ihren Ausführungen in der Verfahrensmängelrüge lässt sie aber noch hinreichend deutlich erkennen, dass sie auch mit der erstgerichtlichen Schmerzengeldbemessung nicht einverstanden ist. Unter diesen Umständen kann dem Berufungsgericht eine krasse, vom OGH aufzugreifende Fehlbeurteilung im Verfahrensrecht nicht vorgeworfen werden, wenn es die Schmerzengeldbemessung noch als von dem von der Berufung der Zweitbeklagten gezogenen Prüfungsrahmen umfasst angesehen hat.