17.03.2011 Verfahrensrecht

OGH: Nebenintervention - rechtliches Interesse am Obsiegen, wenn der Beklagte zur Unterlassung der Erbringung einer vertraglich geschuldeten Leistung an seinen Vertragspartner verpflichtet wird?

Ein Eingriff in die Rechtssphäre Dritter (Vertragspartner) ist regelmäßig zu verneinen, wenn der Beklagte zur Unterlassung der Erbringung einer vertraglich geschuldeten Leistung an seinen Vertragspartner verpflichtet wird


Schlagworte: Nebenintervention, rechtliches Interesse, Unterlassungsverpflichtung, Vertragspartner
Gesetze:

§ 17 ZPO

GZ 4 Ob 202/10z, 18.01.2011

Die Klägerin betreibt ein Einkaufszentrum. Die Beklagte hat dort ein Geschäftslokal gepachtet. Nach dem Pachtvertrag ist es dem Pächter untersagt, in einem Umkreis von 4 km um das Einkaufszentrum herum ein gleichartiges oder ähnliches Geschäft zu betreiben. Die Nebenintervenientin verpachtet Geschäftslokale in einem "Outlet-Center", ua an die Beklagte.

Die Klägerin beantragt, der Beklagten zu untersagen, entgegen der Konkurrenzklausel, insbesondere im Outlet-Center der Nebenintervenientin, ein gleichartiges oder ähnliches Geschäft zu betreiben. Sie stützt sich dabei auf § 1 UWG. Ihrem dem Klagebegehren entsprechenden Sicherungsbegehren wurde rechtskräftig stattgegeben.

Die Verpächterin des "Outlet-Center" trat dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten bei. Sie stützt ihr rechtliches Interesse an deren Obsiegen darauf, dass ein Erfolg der Klage die Beklagte daran hinderte, ihre Verpflichtungen aus dem Pachtvertrag mit ihr zu erfüllen.

OGH: Das für eine Nebenintervention erforderliche rechtliche Interesse liegt vor, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits unmittelbar oder mittelbar auf die privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse des Beitretenden rechtlich günstig oder ungünstig einwirkt. Dabei ist zwar kein zu strenger Maßstab anzulegen; es genügt, dass der Rechtsstreit die Rechtssphäre des Nebenintervenienten berührt. Ein bloß wirtschaftliches Interesse reicht aber nicht aus.

Die Verpflichtung der Beklagten gegenüber der Klägerin, den Betrieb ihres Geschäfts im Outlet-Center zu unterlassen, steht ihrer Betriebspflicht gegenüber der Nebenintervenientin entgegen. Fraglich ist, ob damit bloß ein wirtschaftliches Interesse oder bereits die Rechtssphäre der Nebenintervenientin berührt wird.

In der Rsp wird ein Eingriff in die Rechtssphäre Dritter regelmäßig verneint, wenn der Antragsgegner durch einstweilige Verfügung zur Unterlassung der Erbringung einer vertraglich geschuldeten Leistung an seinen Vertragspartner verpflichtet wird. So greift nach 4 Ob 112/99w das Verbot der Gewährung von Treuerabatten nur in die Rechtssphäre des Unternehmens ein, das die Rabatte zugesagt hat, nicht aber in die Rechte seiner Vertragspartner. Nach 4 Ob 170/99z greift ein Verbot der Zurverfügungstellung von Geschäftsflächen nicht unmittelbar in die Rechte der Bestandnehmer ein.

Die Entscheidung 4 Ob 23/06w nimmt ausführlich zur Problematik Stellung, dass ein Vertragspartner mittels eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs an der Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtung gegenüber einem Dritten gehindert wird: Ein Verbot der Belieferung greife nicht unmittelbar in die Rechte des Dritten (Vertragspartners) ein; weder werde der Vertrag für nichtig erklärt, noch werde dem Dritten verboten, die Leistung entgegenzunehmen.

In den Fällen einer relativen, nur gegenüber bestimmten Personen wirkenden Leistungsunmöglichkeit braucht sich der in seinen Rechten verletzte Vertragspartner nicht auf den Schadenersatzanspruch nach § 920 ABGB verweisen lassen, sondern er kann weiterhin Erfüllung verlangen.

Im vorliegenden Fall besteht die (allfällige) Unterlassungsverpflichtung der Beklagten nur relativ gegenüber der Klägerin. Der Bestand des Pachtvertrags ist dadurch nicht unmittelbar berührt. Die Beklagte wird nur faktisch an der Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber der Nebenintervenientin gehindert, die Unterlassungsverpflichtung beseitigt aber nicht die der Nebenintervenientin gegenüber bestehende vertragliche Verpflichtung. Die Rechtsstellung der Nebenintervenientin wird somit nicht berührt. Dies folgt aus der Relativität der vertraglichen Beziehungen. Eine absolute, gegen jedermann wirkende rechtliche Unmöglichkeit liegt hier nicht vor.