17.03.2011 Verfahrensrecht

OGH: § 299 Abs 1 Z 3 EO - Aufhebung einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung patentrechtlicher Unterlassungsansprüche

Nach der Aufhebung der Sonderbestimmung des § 147 Abs 2 S 2 PatG aF gilt § 399 Abs 1 Z 3 EO nunmehr auch für einstweilige Verfügungen zur Sicherung patentrechtlicher Ansprüche; da das PatG seit der PatRNov 2007 die Aufhebung der einstweiligen Verfügung - gleich dem UWG - nicht mehr ausdrücklich regelt und von bestimmten Voraussetzungen abhängig macht, ist die Rechtsprechungslinie zur Unzulässigkeit eines Befreiungsbetrags bei einstweiligen Verfügungen zur Sicherung lauterkeitsrechtlicher Ansprüche wegen gleicher Interessenlage nunmehr auch auf patentrechtliche Ansprüche zu erstrecken


Schlagworte: Exekutionsrecht, Patentrecht, Provisorialverfahren, Aufhebung einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung patentrechtlicher Unterlassungsansprüche, Sicherheitsleistung
Gesetze:

§ 399 Abs 1 Z 3 EO, § 156 Abs 3 PatG, § 147 Abs 2 PatG aF

GZ 17 Ob 5/11a, 16.02.2011

OGH: Im Sicherungsverfahren betreffend eine Verletzungsklage kann die Vorfrage der Gültigkeit oder Wirksamkeit eines Patents durch das Gericht selbständig als Vorfrage geprüft werden, wenn in dieser Richtung eine Gegenbescheinigung angeboten ist, doch kann diese Prüfung nur mit den Mitteln des Provisorialverfahrens und in dessen Grenzen vorgenommen werden.

Diese Grundsätze gelten sinngemäß auch für die Gültigkeit eines Schutzzertifikats als Grundlage einer einstweiligen Verfügung. Es kann nämlich nach dem Zweck des Schutzzertifikats, eine Verlängerung der Patentlaufzeit zu bewirken, verfahrensrechtlich keinen Unterschied machen, ob die zu prüfende Vorfrage die Nichtigkeit eines Patents oder eines Schutzzertifikats betrifft.

Die Patenterteilung schafft im Provisorialverfahren einen - allenfalls durch Gegenbescheinigungen zu entkräftenden - Prima-facie-Beweis für das Bestehen des Patentrechts. Diese Verteilung der Beweislast wirkt auch nach Erlöschen des Patentrechts infolge Zeitablaufs für jenen Zeitraum fort, für den ein Inhaber des Grundpatents Rechte aus einem darauf bezogenen Schutzzertifikat geltend machen kann. Andernfalls würde dem Erfordernis des Art 5 SchzVO nicht entsprochen, dass das Zertifikat in Ansehung eines patentgeschützten Erzeugnisses dieselben Rechte gewährt wie das Grundpatent in Ansehung der Erfindung.

Nach der Aufhebung der Sonderbestimmung des § 147 Abs 2 S 2 PatG aF durch BGBl I 2006/96 (PatRNov 2007) gilt § 399 Abs 1 Z 3 EO nunmehr auch für einstweilige Verfügungen zur Sicherung patentrechtlicher Ansprüche. Die bisherige Regelung des § 147 Abs 2 PatG, wonach das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu beurteilen hatte, ob die Aufhebung der einstweiligen Verfügung bei Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist, konnte entfallen, weil § 399 Abs 1 Z 3 EO die Möglichkeit der späteren Aufhebung einer bereits erlassenen einstweiligen Verfügung vorsieht. Eine Aufhebung kann selbstverständlich nur bei Vorliegen rücksichtswürdiger Gründe erfolgen.

Durch den einem Antrag iSd § 399 Abs 1 Z 3 EO stattgebenden Beschluss des Gerichts wird nicht die einstweilige Verfügung selbst aufgehoben, sondern nur ihr (weiterer) Vollzug abgewendet; an die Stelle der ursprünglichen Sicherungsmaßnahme (hier: des vom Erstgericht ausgesprochenen Unterlassungsgebots) tritt der vom Antragsgegner erlegte, dem Gericht zur Sicherung des gefährdeten Anspruchs ausreichend erscheinende Geldbetrag.

Ein Befreiungsbetrag nach § 391 Abs 1 EO kann nur festgesetzt werden, wenn ein Geldbetrag "nach Beschaffenheit des Falles zur Sicherung des Antragstellers genügt"; dazu muss ein durch den Nichtvollzug der einstweiligen Verfügung drohender Schaden durch Geld ausgleichbar sein. Diese Voraussetzung liegt nach LustRsp nicht vor, wenn der Kläger nur schwer beweisen kann, welcher Schaden ihm entsteht. Deshalb kann ein lauterkeitsrechtlicher Unterlassungsanspruch in aller Regel nicht durch Gelderlag, sondern nur durch das einstweilige Verbot des beanstandeten Verhaltens gesichert werden. Gleiches gilt für die Aussetzung des Vollzugs einer einstweiligen Verfügung infolge nachträglichen Erlags eines Befreiungsbetrags.

Da das PatG seit der PatRNov 2007 die Aufhebung der einstweiligen Verfügung - gleich dem UWG - nicht mehr ausdrücklich regelt und von bestimmten Voraussetzungen abhängig macht, ist die Rechtsprechungslinie zur Unzulässigkeit eines Befreiungsbetrags bei einstweiligen Verfügungen zur Sicherung lauterkeitsrechtlicher Ansprüche wegen gleicher Interessenlage nunmehr auch auf patentrechtliche Ansprüche zu erstrecken.

Der einem Patentinhaber durch das beanstandete patentrechtsverletzende Verhalten des Beklagten erwachsende Schaden kann in aller Regel nicht eindeutig festgestellt werden. Allfällige Umsatzrückgänge des Klägers müssen nicht zwingend Folge der Rechtsverletzung sein. Überdies sind auch andere Nachteile denkbar, die nicht in einem erhöhten Umsatz des Beklagten mit einem bestimmten patentverletzenden Produkt ihren Niederschlag finden. Der Patenteingriff kann auch dazu führen, dass der Patentinhaber seinen Umsatz nur aufrecht erhält oder geringer steigert als ohne den Verstoß. Solche Unwägbarkeiten rechtfertigen es, von der Festsetzung eines Befreiungsbetrags abzusehen. Fehlt nämlich eine verlässliche Schadensberechnungsgrundlage, weil viele Faktoren in letztlich unbestimmbarer Intensität für Veränderungen bei Umsatz und Verkaufszahlen eines Unternehmens zusammen ausschlaggebend sind, bietet auch § 273 ZPO nur einen unzureichenden Ersatz.

Gründe dafür, weshalb diese Überlegungen im Anlassfall nicht zutreffen und der Kläger demnach ausnahmsweise leicht beweisen kann, welcher Schaden ihm durch den Nichtvollzug der einstweiligen Verfügung entsteht, führt die Rechtsmittelwerberin nicht ins Treffen. Auch unter dem Gesichtspunkt des § 399 Abs 1 Z 3 EO ist ihrem Rechtsmittel deshalb ein Erfolg zu versagen.