17.03.2011 Verfahrensrecht

OGH: Begünstigungsanfechtung nach § 30 Abs 1 Z 3 KO - zum Sorgfaltsmaßstab des Sozialversicherungsträgers

Sozialversicherungsträger haben bei Vorliegen von Insolvenzindikatoren die Behauptung einer bloßen Zahlungsstockung zu überprüfen; wird mangels zumutbarer Prüfungsschritte die Zahlungsunfähigkeit fahrlässig nicht erkannt, ist auch das fahrlässige Nichterkennen der Begünstigungsabsicht vorwerfbar


Schlagworte: Konkursrecht, Begünstigungsanfechtung, Sozialversicherungsträger, Sorgfaltsmaßstab
Gesetze:

§ 30 Abs 1 Z 3 KO

GZ 3 Ob 99/10w, 19.01.2011

OGH: Die Anfechtungstatbestände der §§ 30 und 31 KO dienen dem Schutz des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Gläubiger (par conditio creditorum). Der Anfechtungserfolg soll die Konkursmasse so stellen, als ob der Konkurs schon bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (der relevanten Überschuldung) eröffnet worden wäre. Dementsprechend soll ein Gläubiger jene Zahlung (oder Sicherstellung), die er von seinem Schuldner nach Eintritt der Insolvenzvoraussetzungen (aber noch vor Einleitung des gesetzlichen Verfahrens, das die gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger sicherstellen soll) erlangt hat, wieder in den der Befriedigung aller Gläubiger dienenden Fonds (die Konkursmasse) der Schuldnerin zurückstellen.

Die Frage, ob dem befriedigten Gläubiger die Begünstigungsabsicht des Gemeinschuldners bekannt sein musste, ist zu bejahen, wenn dem Gläubiger genügend verdächtige Umstände bekannt waren oder bei gehöriger Sorgfalt bekannt sein mussten, die den Schluss auf eine Begünstigungsabsicht des Gemeinschuldners rechtfertigen. Leichte Fahrlässigkeit genügt.

Die Mitteilung des Schuldners, die Banken (unstrittig blieb die Behauptung, es handle sich um die Hausbanken) hätten die Kredite fällig gestellt, konnte iZm dem Ratengesuch und den beiden zuvor abgelehnten Stundungsersuchen nur dahin verstanden werden, dass der Schuldner zur Zeit nicht in der Lage war, seine fälligen Schulden zu bezahlen. Die Fälligstellung durch eine Hausbank ist ein zu hinterfragendes Indiz einer krisenhaften Situation, weil Hausbanken, die eine erhöhte Nachforschungspflicht trifft, in aller Regel wegen ihrer weitreichenden Einblicksmöglichkeiten in die wirtschaftliche Lage des Schuldners die Bonität des Schuldners gut beurteilen können und nicht grundlos mit einer Fälligstellung vorgehen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ändert an der Indizwirkung der Umstand nichts, dass die Schuldnerin bislang ein unauffälliger Beitragsschuldner war, weil sie schon vor der Fälligstellung der Kredite um Stundung ersucht hatte und das Ratengesuch im Zusammenhang damit und mit der bekannt gegebenen Fälligstellung, die bekannten Umstände insgesamt also als deutlicher Hinweis auf eine derzeit bestehende Zahlungsunfähigkeit zu werten waren.

An die Sorgfaltspflicht bestimmter Großgläubiger, zu denen grundsätzlich auch die Krankenversicherungsträger gehören, ist ein strenger Maßstab anzulegen, weil sie über entsprechende Ressourcen zur Bonitätsüberwachung ihrer Schuldner verfügen.

Infolge Bejahung eines Insolvenzindikators (hier in Form der Verbindung der Mitteilung über die Fälligkeit der Bankkredite mit dem Ratengesuch) durfte sich die beklagte Anfechtungsgegnerin nicht mit der Behauptung des Schuldners über eine bloße Zahlungsstockung zufriedengeben:

Nach der Rsp liegt fahrlässige Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit, aber auch einer allfälligen Begünstigungsabsicht vor, wenn der Anfechtungsgegner die zu Gebote stehenden Auskunftsmittel nicht heranzieht oder (ungenügend) bewertet. Im Ergebnis völlig zu Recht rügt der Kläger, dass die Beklagte keinerlei Nachforschungen anstellte, dies nicht einmal nach der Bekanntgabe der Bemühungen um einen außergerichtlichen Ausgleich mit den Banken. Als jedenfalls zumutbares Auskunftsmittel stand der Schuldner (Geschäftsführer der GmbH) zur Verfügung, der zu seinen Behauptungen, insbesondere über eine bloße Zahlungsstockung, die offenen Kundenforderungen und die vorhandenen liquiden Mittel, die von ihm erwähnte Liquiditätsplanung und insbesondere über den Stand der fälligen Schulden sowie auch zur Vorlage von Urkunden (Liquiditätsbilanz; offene Postenlisten; allenfalls letzte Bilanz) aufgefordert hätte werden können. Dass bei Vorliegen von Insolvenzindikatoren nicht gegenteilige Behauptungen des Schuldners vom Gläubiger ungeprüft für wahr gehalten werden dürfen, sollte eigentlich nicht zweifelhaft sein. Die Beklagte hätte also Nachforschungen zum Thema der Zahlungsstockung anzustellen gehabt. Nur nach Einholung entsprechend detaillierter Informationen über das Volumen der fälligen Schulden, der Kundenforderungen, der zur Verfügung stehenden Barmittel und über ein allenfalls kurzfristig verwertbares oder belastbares Vermögen wäre eine Plausibilitätsprüfung möglich gewesen. Auch wenn eine Sachverständigenprüfung des gemeinschuldnerischen Unternehmens iSe Fortbestehensprognose allenfalls von Sozialversicherungsträgern nicht zu fordern ist (anders im Fall von Hausbanken), so kann das hier dahingestellt bleiben, weil sich eine solche Prüfung im Fall indizierter Zahlungsunfähigkeit und der deshalb gegebenen Konkursreife erübrigt und hier jedenfalls eine Plausibilitätsprüfung der Angaben des Schuldners unter Heranziehung leicht beizuschaffender Unterlagen erforderlich war. Die Unterlassung jeglicher Überprüfungsschritte geht zu Lasten der Anfechtungsgegnerin.