17.03.2011 Verfahrensrecht

OGH: § 66 IO - zur Frage, wie lange und in welchem Umfang ein Schuldner unfähig sein darf, seine fälligen Schulden begleichen zu können, um noch von einer bloßen Zahlungsstockung sprechen zu können

Zahlungsunfähigkeit iSd § 66 iO liegt vor, wenn der Schuldner mehr als 5 % aller fälligen Schulden nicht begleichen kann; kann er 95 % oder mehr begleichen, darf ein Zahlungsempfänger von Zahlungsfähigkeit ausgehen; der Nachweis der Zahlungsstockung gelingt nur, wenn eine ex ante-Prüfung ergibt, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestand, dass der Schuldner in einer kurzen, für die Beschaffung der erforderlichen Geldmittel erforderlichen Frist alle seine Schulden pünktlich zu zahlen in der Lage sein wird


Schlagworte: Insolvenzrecht, Zahlungsunfähigkeit, Zahlungsstockung
Gesetze:

§ 66 IO

GZ 3 Ob 99/10w, 19.01.2011

OGH: Zahlungsunfähigkeit iSd § 66 iO liegt vor, wenn der Schuldner mehr als 5 % aller fälligen Schulden nicht begleichen kann; kann er 95 % oder mehr begleichen, darf ein Zahlungsempfänger von Zahlungsfähigkeit ausgehen.

Im Anfechtungsprozess hat der Masseverwalter das objektive Tatbestandsmerkmal der Zahlungsunfähigkeit zu beweisen. Dies gelingt ihm durch den Nachweis, dass der Schuldner zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung bzw des angefochtenen Rechtsgeschäfts mehr als 5 % aller fälligen Schulden nicht zahlen konnte.

Dem Anfechtungsgegner steht in diesem Fall (bei einer bestehenden 5 % übersteigenden Liquiditätslücke) der Gegenbeweis über das Vorliegen bzw die Wahrscheinlichkeit einer bloßen Zahlungsstockung zum Anfechtungszeitpunkt offen. Diese Behauptungs- und Beweislast ist aus der Vermutung des § 66 Abs 2 iVm Abs 3 iO, wonach der Umstand, dass der Schuldner Forderungen einzelner Gläubiger befriedigt hat oder befriedigen kann, noch nicht die Annahme seiner Zahlungsfähigkeit begründet, ableitbar. Der Kläger hat die Vermutung des Abs 2 für sich.

Der Nachweis der Zahlungsstockung gelingt nur, wenn eine ex ante-Prüfung ergibt, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestand, dass der Schuldner in einer kurzen, für die Beschaffung der erforderlichen Geldmittel erforderlichen Frist alle seine Schulden pünktlich zu zahlen in der Lage sein wird. Diese Frist darf im sog Durchschnittsfall (wenn Umschuldungen vorzunehmen sind; Vermögensobjekte verkauft werden sollen; Gesellschafterdarlehen vereinbart werden sollen ua) drei Monate nicht übersteigen. Eine noch längere Frist, höchstens aber etwa fünf Monate, setzt voraus, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit der Beseitigung der Liquiditätsschwäche zu rechnen ist.