24.03.2011 Verfahrensrecht

OGH: Zur Frage, ob die Fiktion des § 367 EO gegenüber Erklärungsempfängern im Ausland anwendbar ist oder ob in derartigen Fällen die Exekution nach § 354 EO zu bewilligen wäre

Wenn ein Exekutionstitel nur eine vom Verpflichteten abzugebende Willenserklärung anführt, die gem § 367 EO mit dem Tag der Rechtskraft als abgegeben gilt, ist eine Umdeutung des Exekutionstitels in Richtung einer nach § 354 EO durchzusetzenden Handlungspflicht nicht zulässig


Schlagworte: Exekutionsrecht, Exekution zur Erwirkung unvertretbarer Handlungen, Abgabe einer Willenserklärung
Gesetze:

§ 367 EO, § 354 EO

GZ 3 Ob 210/10v, 19.01.2011

Der Verpflichtete ist aufgrund der vollstreckbaren Entscheidung des OLG Wien schuldig, in die Übertragung näher genannter Internet-Domain Namen auf die betreibende Partei einzuwilligen.

Zur Erwirkung der Einwilligung in die Übertragung der Internet-Domain Namen beantragte die betreibende Partei die Bewilligung der Exekution nach § 354 EO (zur Erwirkung einer unvertretbaren Handlung).

OGH: Liegt ein auf Übertragung der Domain lautender Exekutionstitel vor, stellt sich bei der Vollstreckung das grundsätzliche Problem, dass - da es sich bei der Domainregistrierung um einen privatrechtlichen Vertrag handelt - die am Titelverfahren gar nicht beteiligte Registrierstelle an das Titelurteil nicht gebunden ist und zur Akzeptanz eines Wechsels des Vertragspartners nicht gezwungen werden kann, was sich schon aus dem im Exekutionsverfahren geltenden, aus den Bestimmungen der §§ 37, 262 EO ableitbaren allgemeinen Grundsatz ergibt, dass in die Rechte Dritter nicht eingegriffen werden darf. Die Durchsetzung des Übertragungsanspruchs kann nur dadurch erfolgen, dass der beklagte Domaininhaber gegenüber der Registrierstelle eine entsprechende Abtretungserklärung abgibt. Der Erfolg hängt freilich von deren Zustimmung ab, da mit der betreffenden Willenserklärung ein Parteiwechsel verbunden ist. Eine derartige titelmäßige Verpflichtung wäre mit einem an die Vergabestelle gerichteten Antrag des Verpflichteten auf Übertragung der strittigen Domain auf die betreibende Partei erfüllt.

Die Entscheidung, ob aufgrund einer solchen Erklärung die betreibende Partei als neuer Vertragspartner akzeptiert wird, bleibt der Registrierstelle vorbehalten. Auf einen Löschungsanspruch und die Möglichkeit des Betreibenden, die freigewordenen Domains selbst anzumelden, ist der vorliegende Exekutionstitel hingegen nicht zu reduzieren. Mangels einer Reservierung der Domain zu Gunsten des Betreibenden, bestünde die Gefahr, dass ein Dritter im Moment der Löschung durch eine Neuanmeldung den Prozesserfolg zu nichte machen könnte.

Zur Vollstreckung des Anspruchs auf Löschung und Übertragung von Domains kommen als Exekutionsarten grundsätzlich die Exekution nach § 367 EO und die Exekution nach § 354 EO (zur Erwirkung unvertretbarer Handlungen) in Betracht. Schuldet der Verpflichtete die Abgabe einer Willenserklärung, gilt gem § 367 EO die Erklärung der verpflichteten Partei mit der Vollstreckbarkeit als abgegeben und zwar nicht nur gegenüber der betreibenden Partei, sondern auch anderen gegenüber, ohne dass eine Exekutionsbewilligung notwendig wäre. Da der Gesetzgeber an Stelle der exekutiven Durchsetzung eine gesetzliche Fiktion setzt, nach der die Willenserklärung als abgegeben gilt, sobald Vollstreckbarkeit eingetreten ist, ist eine Exekution weder erforderlich noch zulässig. Nach § 354 EO wird hingegen der Anspruch auf eine Handlung vollstreckt, die durch einen Dritten nicht vorgenommen werden kann und deren Vornahme zugleich ausschließlich vom Willen des Verpflichteten abhängt. Dieser Anspruch wird dadurch exekutiv durchgesetzt, dass der Verpflichtete auf Antrag vom Exekutionsgericht durch Geldstrafen oder durch Haft bis zur Gesamtdauer von sechs Monaten zur Vornahme der Handlung angehalten wird.

Da die titelmäßig geschuldete Leistung auf Einwilligung der Übertragung der Domains lautet, somit in der Abgabe einer Willenserklärung besteht, liegt ein Titel iSd § 367 EO vor. Von § 367 EO nicht fingiert wird der für die Domainübertragung erforderliche Zugang der Willenserklärung. Ist deren Adressat, wie im vorliegenden Fall ein Dritter, ist der Titel diesem vorzulegen. Wäre der Titel etwa der österreichischen Vergabestelle "NIC.at GmbH" zu übermitteln, hätte diese infolge der Fiktionswirkung des § 367 EO ohne weiteres Vollstreckungsverfahren davon auszugehen, dass die Willenserklärung des Verpflichteten als abgegeben gilt. Im vorliegenden Fall besteht aber die Besonderheit, dass die maßgebliche Registrierstelle nicht in Österreich ansässig ist, sondern in den USA. Eine Vorlage des österreichischen Titelurteils durch die Betreibende an die in den USA ansässige Registrierstelle mit dem Hinweis, nach der österreichischen Rechtsordnung werde fingiert, dass diese Erklärung bereits aufgrund des Urteils - ohne weitere Vollstreckung - als abgegeben gilt, könnte durchaus scheitern, wie dies im Exekutionsantrag (freilich ohne relevantes Bescheinigungsanbot) behauptet wurde. Diese Frage könnte nur an Hand der Geschäftsbedingungen des Registrierungsvertrags beurteilt werden.

Auch wenn die Ablehnung einer von der Betreibenden selbst bei der Registrierstelle beantragten Übertragung feststünde, könnte hier die beantragte Exekution nach § 354 EO nicht bewilligt werden:

Die Anordnungen der EO über die verschiedenen Exekutionsarten sind zwingendes Recht und unterliegen nicht der Parteienverfügung. Es gibt kein Wahlrecht, weshalb sich bei Willenserklärungen wegen der Erklärungsfiktion des § 367 EO die Vollstreckung erübrigt.

Der Exekutionstitel benennt die Registrierstelle nicht und enthält auch nicht die Verpflichtung, dass der Beklagte (Verpflichtete) seine Einwilligung gegenüber der Registrierstelle persönlich zu erklären hätte. Eine Umdeutung des Exekutionstitels in dem von der Betreibenden angestrebten Sinn einer Verpflichtung nach § 354 EO bedeutete eine über den Wortlaut hinausgehende und damit unzulässige Auslegung. Die Betreibende hätte schon im Titelverfahren den Umstand bedenken können und müssen, dass für die angestrebte Übertragung der Domains unvertretbare Handlungen des Verpflichteten im Ausland erforderlich sein könnten, dass also mit der Abgabe der Willenserklärung allein und wegen der Besonderheit der Erklärungsfiktion des § 367 EO die Durchsetzung des materiellen Anspruchs im Ausland auf Hindernisse stoßen werde. Diese vorhersehbaren Hindernisse können nicht im Exekutionsverfahren im Wege einer Erweiterung der Titelverpflichtung in Richtung § 354 EO beseitigt werden. Für eine Exekutionsführung in dieser Exekutionsart, die grundsätzlich dafür zur Verfügung steht, dass der Verpflichtete die erforderliche Mitwirkung des Dritten (hier der Registrierstelle) herbeiführt, bietet der vorliegende Exekutionstitel keine Deckung.