14.04.2011 Verfahrensrecht

OGH: Masseunzulänglichkeit iSd § 124a Abs 1 IO - kann nach Veröffentlichung der Bekanntgabe der Masseunzulänglichkeit ein Leistungsbefehl erwirkt werden?

Stichhältige Gründe, die gegen die Zulässigkeit einer Leistungsklage auch nach Bekanntmachung der Masseunzulänglichkeit sprechen würden, sind nicht erkennbar


Schlagworte: Insolvenzrecht, Masseunzulänglichkeit, Leistungsklage
Gesetze:

§ 124a IO

GZ 8 Ob 116/10g, 22.03.2011

OGH: § 124a Abs 1 KO (nunmehr IO) begründet nur eine Exekutionssperre, aber keine Prozesssperre. Gerade weil der Massegläubiger seine behauptete Masseforderung auch mit Klage gegen den Masseverwalter geltend machen kann, sieht die stRsp des erkennenden Senats auch den Ausschluss eines Rechtsmittels gegen die Entscheidung des Konkursgerichts über einen Abhilfeantrag des Massegläubigers nach § 124 Abs 3 KO (IO) als unbedenklich an.

Der Revisionswerber bestreitet jedoch wegen des aus § 124a KO abzuleitenden gesetzlichen Zahlungsverbots einerseits die Zulässigkeit einer Leistungsklage, andererseits auch ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer gerichtlichen Feststellung der Forderung, weil er diese bereits vor Klagseinbringung dem Grunde und der Höhe nach anerkannt und damit der Klägerin ausreichende Sicherheit für den Eventualfall einer nachträglich wieder eintretenden Massezulänglichkeit verschafft habe, zumal das Konkursverfahren unter richterlicher Aufsicht stehe.

Massegläubigern, deren Forderungen nicht befriedigt werden, räumt § 124 Abs 3 KO (IO) grundsätzlich alternativ und gleichrangig zum Abhilfeantrag an das Konkursgericht auch die Möglichkeit einer Leistungsklage ein. Für Masseforderungen existiert kein dem § 61 KO (IO) vergleichbares Verfahren, das die vereinfachte Schaffung eines Exekutionstitels für festgestellte Konkursforderungen durch das Anerkenntnis des Masseverwalters ermöglicht und in dem die Nichtbestreitung der Forderung durch den Schuldner Bindungswirkung entfaltet.

Reicht die Konkursmasse nicht aus, um die Masseforderungen zu erfüllen, hat der Masseverwalter nach § 124a Abs 1 KO (IO) dies dem Konkursgericht unverzüglich anzuzeigen und mit der Befriedigung der Massegläubiger innezuhalten. Er darf jedoch weiterhin Rechtshandlungen vornehmen, die zur Verwaltung und zur Verwertung geboten sind. Die daraus herrührenden Masseforderungen sind unverzüglich zu befriedigen (3. Satz). Ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe der Masseunzulänglichkeit durch das Konkursgericht kann an den zur Konkursmasse gehörenden Sachen nur mehr wegen Masseforderungen nach § 124a Abs 1 3. Satz KO (IO) ein richterliches Pfand- oder Befriedigungsrecht erworben werden.

Ziel dieser Regelung für den "Konkurs im Konkurs" ist es, die sog Altmassegläubiger möglichst gleich zu behandeln und gleichzeitig einen der weiteren Verwertung entgegenstehenden "Kontrahierungsstopp" dadurch zu verhindern, dass die Forderungen der im Zuge der weiteren Verwaltung und Verwertung hinzutretenden Neumassegläubiger privilegiert zu befriedigen sind.

Die Frage, ob für Altmasseforderungen, mit deren Befriedigung nach § 124a KO (IO) innezuhalten ist, eine Leistungsklage oder nur eine Feststellungsklage zulässig ist, wird in der Literatur divergierend beurteilt.

§ 124a KO (IO) liegt zweifelsfrei die Zielsetzung einer geordneten Abwicklung der unzulänglichen Masse und gleichmäßigen Risikoverteilung unter den Massegläubiger zu Grunde. Das für eine Klage nach § 228 ZPO geforderte Interesse an der alsbaldingen Feststellung eines Rechts ist aber nach hL und Rsp zu verneinen, wenn der verfolgte Anspruch bereits zur Gänze auch mit Leistungsklage geltend gemacht werden kann und die Feststellungsklage für den Kläger keinen darüber hinaus reichenden Vorteil bietet.

Im vorliegenden Fall der Geltendmachung einer Masseforderung aus einem beendeten Zielschuldverhältnis könnte die gerichtliche Feststellung, dass die fällige Werklohnforderung zu Recht besteht, kein zusätzliches rechtliches Interesse befriedigen, das durch ein Leistungsurteil nicht abgedeckt würde. Grundsätzlich ist daher hier von der Subsidiarität der Feststellungsklage auszugehen.

Umgekehrt gewährt aber bei späterem Wegfall der Massearmut und der damit verbundenen Exekutionssperre nur ein Leistungsurteil sofort einen Exekutionstitel. Auch ein noch so hohes Vertrauen in Kompetenz und Pflichtbewusstsein der Insolvenzverwalter und Insolvenzgerichte bietet keine hinreichende Grundlage dafür, dem Massegläubiger zunächst die Schaffung eines Exekutionstitels zu versagen und ihn auf eine neuerliche Leistungsklage, oder überhaupt auf Schadenersatzansprüche gegen die handelnden Personen zu verweisen.

Stichhältige Gründe, die gegen die Zulässigkeit einer Leistungsklage auch nach Bekanntmachung der Masseunzulänglichkeit sprechen würden, sind nicht erkennbar. Die IO selbst verbietet sie nicht, vielmehr kommt für Neumasseforderungen iSd § 124a Abs 1 3. Satz KO (IO) mangels Beschränkung der unverzüglichen Befriedigungspflicht überhaupt nur eine Leistungsklage in Betracht. Ein Unterlaufen der Verteilungsgrundsätze des § 47 Abs 2 IO durch vorpreschende Massegläubiger wird durch die gesetzliche Exekutionssperre hintangehalten.

Für Konkursforderungen lässt sich die Beschränkung auf den Feststellungsprozess während der Dauer des Konkursverfahrens aus dem Wesen der Konkurseröffnung als Generalexekution gegen das Vermögen des Schuldners herleiten, in der kein individueller Leistungsbefehl zu erfolgen hat, sondern nur mehr die Höhe des Teilnahmeanspruchs des einzelnen Konkursgläubigers festzustellen ist. Auf die Masseforderungen ist dieses Modell jedoch nicht übertragbar.

Dem Massegläubiger, dessen Forderung während des Konkurses neu begründet wurde, steht ein Leistungsanspruch gegen die Masse in voller Höhe zu, dessen materielle Berechtigung nicht davon abhängen kann, ob die Schuldnerin in der Lage ist oder sein wird, ihn zur Gänze zu befriedigen. Die in § 124a Abs 1 KO (IO) getroffene Anordnung, der Masseverwalter habe mit der Befriedigung der Massegläubiger innezuhalten, enthält schon nach seinem Wortsinn ein Element der Vorläufigkeit des Zahlungsverbots. Die kundgemachte Masseunzulänglichkeit ist keine von vornherein unabänderliche Tatsache. So wenig, wie ein nicht in ein Insolvenzverfahren verstrickter Beklagter seine Verurteilung zu einer Leistung mit dem Nachweis abwenden kann, dass er aktuell nicht zur Erfüllung in der Lage ist, so wenig besteht eine sachliche Begründung dafür, ein Leistungsurteil gegen eine unzulängliche Masse zu versagen.

Stellt sich die Begrenzung des zur Befriedigung vorhandenen Haftungsfonds zunächst nur als Exekutionsbeschränkung dar, wird der materiellrechtliche Leistungsanspruch nicht berührt. Eine - im Prozess vom Schuldner einzuwendende und zu prüfende - Minderung der materiellrechtlichen Verpflichtungen wird mit der Begrenzung des Haftungsfonds nur in Fällen verbunden, in denen die Grenze dauerhaft und unabänderlich fest steht. Ist im Titelverfahren die Bestimmung des Haftungsausmaßes noch nicht mit ausreichender Bestimmtheit möglich (oder tritt die Haftungsbeschränkung erst nachträglich ein), kann der Schuldner die Haftungsbeschränkung erst im Exekutionsverfahren geltend machen.

Eine endgültige Masseunzulänglichkeit steht im vorliegenden Verfahren nicht fest. Nach hL und Rsp ist zudem unbestritten, dass auch den ehemaligen Gemeinschuldner nach Konkursaufhebung eine - wenn auch begrenzte - Haftung für unbeglichene Masseforderungen trifft.

Das außergerichtliche Anerkenntnis der Forderung durch den Beklagten beseitigt das rechtliche Interesse der Klägerin an der Schaffung eines Exekutionstitels nicht, insbesondere schließt es angesichts der langen Dauer des Verwertungsverfahrens die Möglichkeit von Verjährungsfolgen nicht aus. Die Argumentation des Revisionswerbers, es sei nicht einzusehen, warum die ohnehin schon unzulängliche Konkursmasse auch noch mit Verfahrenskosten belastet werden sollte, übersieht, dass er selbst es in der Hand gehabt hätte, die ins Treffen geführten Kostenfolgen nach § 45 ZPO durch ein unverzügliches prozessuales Anerkenntnis der Forderung abzuwenden.