14.04.2011 Verfahrensrecht

OGH: Zuständigkeit am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes gem Art 8 Abs 1 Brüssel IIa-VO

Der Begriff "gewöhnlicher Aufenthalt" iSd Art 8 Abs 1 Brüssel IIa-VO ist dahin auszulegen, dass darunter der Ort zu verstehen ist, der Ausdruck einer gewissen sozialen und familiären Integration des Kindes ist; hiefür sind insbesondere die Dauer, die Regelmäßigkeit und die Umstände des Aufenthalts in einem Mitgliedstaat sowie die Gründe für diesen Aufenthalt und den Umzug der Familie in diesen Staat, die Staatsangehörigkeit des Kindes, Ort und Umstände der Einschulung, die Sprachkenntnisse sowie die familiären und sozialen Bindungen des Kindes in dem betreffenden Staat zu berücksichtigen


Schlagworte: Internationales Zivilverfahrensrecht, Familienrecht, Zuständigkeit am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes
Gesetze:

Art 8 Brüssel IIa-VO

GZ 5 Ob 194/10f, 16.11.2010

OGH: Nach Art 8 Abs 1 Brüssel IIa-VO sind für Entscheidungen, die die elterliche Verantwortung betreffen, die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem das Kind zum Zeitpunkt der Antragstellung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Damit wird die internationale Zuständigkeit vorrangig "nach dem Kriterium der räumlichen Nähe" bestimmt. Was unter "gewöhnlicher Aufenthalt" iSd Brüssel IIa-VO zu verstehen ist, wird in dieser Verordnung nicht definiert. Dieser Begriff ist nicht nach den jeweiligen nationalen Bestimmungen, sondern autonom entsprechend den Zielen und Zwecken der Brüssel IIa-VO auszulegen. Die Zuständigkeitsprüfung bezieht sich in temporärer Hinsicht auf den "Zeitpunkt der Antragstellung".

Nach der Entscheidung des EuGH vom 2. 4. 2009, C-523/07, ist der Begriff "gewöhnlicher Aufenthalt" iSd Art 8 Abs 1 Brüssel IIa-VO dahin auszulegen, dass darunter der Ort zu verstehen ist, der Ausdruck einer gewissen sozialen und familiären Integration des Kindes ist. Hiefür sind insbesondere die Dauer, die Regelmäßigkeit und die Umstände des Aufenthalts in einem Mitgliedstaat sowie die Gründe für diesen Aufenthalt und den Umzug der Familie in diesen Staat, die Staatsangehörigkeit des Kindes, Ort und Umstände der Einschulung, die Sprachkenntnisse sowie die familiären und sozialen Bindungen des Kindes in dem betreffenden Staat zu berücksichtigen. Es ist Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes festzustellen.

Zum Begriff des "gewöhnlichen Aufenthalts" (dort nach Art 3 Abs 1 lit a Brüssel IIa-VO) liegt mit der Entscheidung 1 Ob 115/09g auch bereits Rsp des OGH vor.

Soweit das Rekursgericht im Lichte des Art 8 Abs 1 Brüssel IIa-VO auf den "Daseinsmittelpunkt" abstellt, steht dies mit den zuvor dargestellten, in der Entscheidung des EuGH vom 2. 4. 2009, C-523/07, angesprochenen Kriterien und auch mit der Entscheidung 1 Ob 115/09g in Einklang.