05.05.2011 Verfahrensrecht

OGH: Möglichkeit der Verhängung einer Geldstrafe nach § 79 Abs 2 Z 1 AußStrG 2005 über einen Rechtsanwalt als Sachwalter?

Dem Ausspruch einer Geldstrafe nach § 79 Abs 2 Z 1 AußStrG steht die Tätigkeit als Rechtsanwalt nicht entgegen


Schlagworte: Außerstreitverfahren, Zwangsmittel, Geldstrafen, Rechtsanwalt, Doppelbestrafung
Gesetze:

§ 79 Abs 2 Z 1 AußStrG, § 22 AußStrG

GZ 3 Ob 19/11g, 23.02.2011

OGH: Der von der Sachwalterin herangezogene § 22 AußStrG 2005 normiert die sinngemäße Anwendung der Bestimmungen der ZPO über Protokolle, Akten sowie die Sitzungspolizei, Beleidigungen in Schriftsätzen und über Strafen im Verfahren außer Streitsachen. Im gegebenen Zusammenhang geht es weder um die Ahndung von Beleidigungen in Schriftsätzen (§ 86 ZPO) noch um sitzungspolizeiliche Maßnahmen während einer Verhandlung wegen Störung, Ungebühr oder Beleidigung (§§ 197 bis 203 ZPO). Daher erweist sich die Entscheidung des erkennenden Senats zu 3 Ob 228/08p, die auch den Rechtsmittelausschluss nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO (Konformatbeschlüsse) vom Verweis auf die Bestimmungen der ZPO in § 22 AußStrG 2005 in Ansehung der für Beleidigungen in Schriftsätzen verhängten Strafen umfasst ansah, als nicht einschlägig. Die absolute Unzulässigkeit des Revisionsrekurses der Sachwalterin ist daher aus diesem Blickwinkel zu verneinen.

Das gilt auch in Anbetracht der Höhe der festgesetzten Geldstrafe von 600 EUR. Beschwerdegegenstand bei Geldstrafen ist nämlich nicht die Strafe als Geldwert des Strafbetrags, sondern die Bestrafung als solche. Damit handelt es sich bei einer Geldstrafe um einen Gegenstand, der iSd § 62 Abs 3 und 4 AußStrG 2005 nicht rein vermögensrechtlicher Natur ist. Ein Revisionsrekurs in dieser Angelegenheit ist daher wertunabhängig grundsätzlich nach Maßgabe des § 62 Abs 1 AußStrG 2005 zu behandeln.

Die Sachwalterin beruft sich darauf, der gem § 22 AußStrG 2005 sinngemäß anzuwendende § 200 Abs 3 ZPO verbiete die Verhängung von Geldstrafen über Rechtsanwälte und Notare wegen deren disziplinärer Verantwortlichkeit; es sei bedeutungslos, ob die vom Erstgericht verhängte Geldstrafe auch repressiven oder nur willensbeugenden Zweck habe, weil das Disziplinarverfahren beide Zwecke verfolge.

Von der in § 22 AußStrG 2005 vorgesehenen sinngemäßen Anwendung der Bestimmungen der ZPO über Protokolle, Akten sowie die Sitzungspolizei, Beleidigungen in Schriftsätzen und über Strafen im Verfahren außer Streitsachen kommt hier - wie schon dargelegt - nur eine Anknüpfung an den Begriff der "Strafen" in Frage, weil den Gegenstand des bekämpften Beschlusses nicht die Bestrafung von Beleidigungen in Schriftsätzen oder von Störungen, von Ungebühr oder von Beleidigungen während einer Verhandlung bildet. Dieser Verweis umfasst nach hA nur die allgemeine Bestimmung des § 220 ZPO betreffend die Regelung der Deckelung von Geldstrafen (vgl aber den in § 79 Abs 2 Z 1 AußStrG 2005 enthaltenen Verweis auf § 359 EO), deren Verwendung sowie der amtswegigen Vollziehung. Die von der Sachwalterin reklamierte sinngemäße Anwendung des § 200 Abs 3 ZPO auf die hier zu beurteilende Geldstrafe lässt sich daher mit § 22 AußStrG 2005 nicht begründen.

Schon das Rekursgericht hat darüber hinaus zutreffend darauf hingewiesen, dass es der Zweck der nach § 79 Abs 2 AußStrG 2005 angeordneten Zwangsmittel nicht ist, für die Vergangenheit zu bestrafen, sondern die Beugung des Willens des zu einer prozessualen Mitwirkung Verpflichteten. Es handelt sich um verfahrensinterne Zwangsmittel, deren Anwendung eine durchsetzbare Pflicht voraussetzt; diese kann sich aus ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmungen ergeben (hier aus § 229 Abs 1 ABGB iVm § 134 AußStrG), aus Verweisungsnormen oder aus der allgemeinen Mitwirkungspflicht nach §§ 13 Abs 1 und 16 Abs 2 AußStrG.

Vom Außerstreitgericht wird daher bei der Verhängung einer Geldstrafe nach § 79 Abs 2 Z 1 AußStrG über eine zur Sachwalterin bestellten Rechtsanwältin weder ein Prozessbevollmächtigter (sondern ein vom Gericht bestellter gesetzlicher Vertreter) in Anspruch genommen noch eine Ordnungsstrafe iSd §§ 86, 199 und 200 ZPO auferlegt (sondern ein Beugemittel angewendet), sodass sich das Problem der Doppelbestrafung eines Rechtsanwalts gar nicht stellt.