12.05.2011 Verfahrensrecht

OGH: Gerichtsstandsvereinbarung nach Art 23 EuGVVO und Schriftformerfordernis (iZm Bezugnahme auf AGB)

Die Voraussetzungen für die Gültigkeit von Gerichtsstandsklauseln sind grundsätzlich eng auszulegen, doch ist andererseits jeder mit der kaufmännischen Praxis unvereinbare überspitzte Formalismus zu vermeiden; dem Schriftformerfordernis des Art 23 EuGVVO kann auch durch eine Bezugnahme auf AGB entsprochen werden, wenn der Vertragstext ausdrücklich auf die AGB Bezug nimmt


Schlagworte: Internationales Verfahrensrecht, internationale Gerichtsstandsvereinbarung, Schriftform, AGB
Gesetze:

Art 23 EuGVVO

GZ 10 Ob 9/11p, 01.03.2011

OGH: Das Rekursgericht hat die Grundsätze der Rsp zum Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung nach Art 23 Abs 1 lit a EuGVVO zutreffend dargelegt. Danach kommt eine Gerichtsstandsvereinbarung nach dieser Bestimmung durch übereinstimmende Willenserklärungen der Parteien über die Begründung der Zuständigkeit zustande. Hinsichtlich der Form verlangt Art 23 Abs 1 lit a EuGVVO, dass die Gerichtsstandsvereinbarung entweder schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung geschlossen wird. Dieses Schriftformerfordernis zielt darauf ab, den unbemerkten Eingang von Gerichtsstandsklauseln in den Vertrag zu verhindern und im Interesse der Rechtssicherheit die andere Partei vor überraschenden Gerichtsständen zu schützen. Die Voraussetzungen für die Gültigkeit von Gerichtsstandsklauseln sind daher grundsätzlich eng auszulegen, doch ist andererseits jeder mit der kaufmännischen Praxis unvereinbare überspitzte Formalismus zu vermeiden.

Dem Schriftformerfordernis des Art 23 EuGVVO kann auch durch eine Bezugnahme auf AGB entsprochen werden, wenn der Vertragstext ausdrücklich auf die AGB Bezug nimmt. Es genügt auch ein entsprechender Hinweis in getrennten Schriftstücken, wenn die andere Partei diesem unter Anwendung normaler Sorgfalt nachgehen kann (also nicht bei einer unauffällig versteckt stehenden Klausel) und die genannten AGB dieser Partei tatsächlich zugegangen sind. Kommt daher der Vertrag durch Angebot und Annahme in verschiedenen Urkunden zustande, so genügt der (deutliche) Hinweis auf die (eine Gerichtsstandsklausel enthaltenden) AGB im Angebot, wenn die eine Partei diesem unter Anwendung normaler Sorgfalt nachgehen kann und die genannten AGB dieser Partei tatsächlich zugegangen sind. Der Hinweis auf eigene AGB muss somit an gut erkennbarer Stelle und so erfolgen, dass der Geltungsanspruch der AGB klar hervorgeht.

Eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung kommt demnach, wie der OGH bereits mehrfach entschieden hat, ua auch dann nicht zustande, wenn sich eine Gerichtsstandsklausel (in einer kleineren Schrift als der Text des Vertragsangebots) in der Fußzeile unterhalb des Vertragstexts befindet, in der sonst nur Angaben zur Klägerin (Adresse, Telefonnummer, Fax, E-Mail, Bankverbindung etc) abgedruckt sind. In der Entscheidung 2 Ob 280/05y bejahte der OGH das Vorliegen einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung im Wesentlichen mit der Begründung, dass im Hinblick auf eine mehrjährige Geschäftsbeziehung und einen vorangegangenen Abschluss von Verträgen unter den AGB des Vertragspartners iVm der mehrfachen Unterfertigung direkt unter dem Hinweis auf den Gerichtsstand (Fußzeile) davon auszugehen sei, dass die Vereinbarung eines Gerichtsstands bei Anwendung der normalen Sorgfalt nicht überraschend sein konnte.

Der Vollständigkeit halber ist auch darauf hinzuweisen, dass die Verwendung einer Fremdsprache dem Transparenzgebot des Art 23 EuGVVO entspricht, wenn die Kenntnis dieser Sprache in dem für das Verständnis des Klauselwerks notwendigen Maß vom betreffenden Kundenkreis erwartet werden kann.