19.05.2011 Verfahrensrecht

OGH: Besuchsbegleitung nach § 111 AußStrG

Voraussetzung für die Anordnung einer Besuchsbegleitung sind - neben Gefährdungen des körperlichen Wohls des Kindes - insbesondere Drucksituationen, denen das Kind aufgrund der ungeklärten Situation zwischen seinen Eltern ausgesetzt ist, wenn der nicht mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebende Elternteil also insbesondere gegen das Wohlverhaltensgebot des § 145b ABGB verstößt, indem er versucht, das Kind gegen den betreuenden Elternteil aufzuwiegeln, es für sich (und gegen den anderen) zu vereinnahmen oder das Kind aufhetzt; für eine laufende Besuchsrechtsausübung kann Besuchsbegleitung aber nur angeordnet werden, wenn dies im Interesse des Kindes gelegen ist.


Schlagworte: Außerstreitverfahren, Familienrecht, Besuchsrecht, Besuchsbegleitung, Kindeswohl
Gesetze:

§ 111 AußStrG, § 148 ABGB

GZ 6 Ob 253/10i, 28.01.2011

OGH: Nach ständiger, in der Literatur gebilligter Rsp des OGH sind die Eltern an einen abgeschlossenen - und pflegschaftsgerichtlich genehmigten - Kontaktregelungsvergleich unter der Einschränkung der clausula rebus sic stantibus gebunden; sie können sich also nur auf nachträgliche Änderungen des Sachverhalts berufen. Dies gilt grundsätzlich auch für Vereinbarungen betreffend ein begleitetes Besuchsrecht gem § 111 AußStrG, wobei eine Änderung etwa im Wegfall der Notwendigkeit (Voraussetzungen) der Besuchsbegleitung liegen würde.

Nach stRsp des OGH ist inhaltliche Voraussetzung für die Anordnung der Besuchsbegleitung nach § 111 AußStrG, dass das Wohl des betroffenen Kindes persönliche Kontakte zu dem nicht mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Elternteil erfordert. Dies bedeutet aber nicht, dass die Besuchsbegleitung ultima ratio darstellt und damit etwa erst nach Erschöpfung anderer Abwicklungsmodalitäten herangezogen werden dürfte. Die Besuchsbegleitung eignet sich aus psychologisch-psychiatrischer Sicht zwar in erster Linie für die Neu- oder Wiederanbahnung des persönlichen Kontakts zwischen nicht erziehendem Elternteil und Kind. Es sind jedoch Fallkonstellationen denkbar, in denen aufgrund der seelisch-psychischen Ausnahmeverfassung und/oder vorübergehend eingeschränkten Einsichtsfähigkeit der Beteiligten auch sonst eine objektive dritte Person für die Abwicklung des Besuchskontakts erforderlich ist; das Rechtsinstitut der Besuchsbegleitung kann also in bestimmten Fällen auch über eine angemessene Übergangszeit hinaus zu einer Art Dauereinrichtung für die laufende Besuchsabwicklung in bestimmten, etwa besonders konfliktgeschädigten Eltern-Kind-Verhältnissen werden. Voraussetzung für die Anordnung einer Besuchsbegleitung sind - neben Gefährdungen des körperlichen Wohls des Kindes - insbesondere Drucksituationen, denen das Kind aufgrund der ungeklärten Situation zwischen seinen Eltern ausgesetzt ist, wenn der nicht mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebende Elternteil also insbesondere gegen das Wohlverhaltensgebot des § 145b ABGB verstößt, indem er versucht, das Kind gegen den betreuenden Elternteil aufzuwiegeln, es für sich (und gegen den anderen) zu vereinnahmen oder das Kind aufhetzt. Für eine laufende Besuchsrechtsausübung kann Besuchsbegleitung aber nur angeordnet werden, wenn dies im Interesse des Kindes gelegen ist.

Nach ständiger, ebenfalls in der Literatur gebilligter Rsp des OGH hat das Gericht die Aufgaben und Befugnisse des Besuchsbegleiters (hier = Übergabebegleitung) nur in Grundzügen zu bestimmen. Dies ermöglicht es, Details wie die zeitliche Festsetzung des mit Besuchsbegleitung auszuübenden Besuchsrechts dem Besuchsbegleiter nach dessen Ressourcen zu überlassen.