11.03.2005 Wirtschaftsrecht

OGH: Die markenrechtlichen Verwechslungsgefahr ist umfassend zu beurteilen; es ist auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren (insb Ähnlichkeit, Kennzeichnungskraft, Bekanntheitsgrad der Marken und Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen) Bedacht zu nehmen ist


In seinem Beschluss vom 21.12.2004 zur GZ 4 Ob 238/04k hatte sich der 4. Senat mit der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr auseinanderzusetzen:

Im Kennzeichenstreit stehen einander die prioritätsältere Wort-Bildmarke "news" (wöchentliches Nachrichtenmagazin mit tw erotischen oder sexuellen Themen; www.news.at) der Klägerin und die vom Zeichenbestandteil "sexnews" geprägte Wort-Bildmarke der Beklagten (monatliches Pornomagazin mit dem Titel "sexnews"; www.sexnews.at, www.6news.at) gegenüber.

Das Rekursgericht hat der Beklagten im Sicherungsverfahren untersagt, die Bezeichnung "NEWS"a) für Druckschriften kennzeichnend zu verwenden, insb die Bezeichnung "sexnews" im Titel zu verwenden, b) als Internet-Domain kennzeichnend zu verwenden, insb die Domains "www.sexnews.at" und "www.6news.at" zu verwenden.Der Unterlassungsanspruch bestehe schon unter markenrechtlichen Gesichtspunkten zu Recht. Nicht zu zweifeln sei an der Warengleichheit, der nicht unbedeutenden Bekanntheit der älteren Marke der Klägerin (über 1 Mio Leser des Nachrichtenmagazins; knapp 4 Mio Besuche des Internetportals) und ihrer grundsätzlichen Kennzeichnungskraft. Auf Grund der ähnlichen optischen Gestaltung der einander gegenüberstehenden Zeitschriftentitel bestehe mittelbare Verwechslungsgefahr, weil ein Durchschnittsverbraucher annehmen könne, die Zeitschrift der Beklagten sei ein neues Produkt der Klägerin mit dem Schwerpunktthema "Sex". Gleiches gelte für die von der Beklagten verwendeten Domains.

Dazu der OGH:

Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt gemeinschaftsweit ein einheitlicher Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat. Danach ist - ebenso wie nach ständiger österreichischer Rechtsprechung - die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insb der Ähnlichkeit der Marken, deren Kennzeichnungskraft und Bekanntheitsgrad auf dem Markt und der Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen Bedacht zu nehmen ist. So kann ein geringer Grad der Gleichartigkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt. Folge dieser Wechselwirkung ist es, dass bei Warenidentität ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um Verwechslungsgefahr auszuschließen, als bei einem größeren Warenabstand.Die beiden mit den streitgegenständlichen Titeln gekennzeichneten Zeitschriften sprechen ihrem Charakter und Erscheinungsbild nach nicht völlig unterschiedliche Verkehrskreise an. Es besteht demnach - worauf das Rekursgericht zutreffend hinweist - die Gefahr, dass das Publikum den Titel "sexnews" als abgeleitetes weiteres Kennzeichen der Klägerin und um eine naheliegende Ergänzung und Erweiterung ihrer Produktpalette auffasst. Gleiches gilt für den Internet-Auftritt.