01.04.2005 Wirtschaftsrecht

OGH: Bei der Beurteilung, ob eine Übereinstimmung - sei es ein glattes Plagiat, sei es eine Bearbeitung iSd § 5 Abs 1 UrhG - oder aber eine selbständige Neuschöpfung (§ 5 Abs 2 UrhG) vorliegt, sind beide Werke in ihrer Gesamtheit zu vergleichen, wobei insb auch der Frage eines möglichen Wettbewerbs zwischen ihnen Bedeutung zukommen kann


In seinem Erkenntnis vom 21.12.2004 zur GZ 4 Ob 201/04v hat sich der 4.Senat mit dem Urheber- u Wettbewerbsrecht befasst:

Die Klägerin produziert und vertreibt eine Serie von 14 Blechdosen unter der Gesamtbezeichnung "LES BOîTES A ....", deren Deckel und Seitenflächen mit bunten, Kinderzeichnungen nachempfundenen Motiven dekorativ bemalt und mit Beschriftungen in einer Schreibschrift mit kindlichem Charakter, die - wie die Bildmotive - auf den vorgesehenen Verwendungszweck hinweisen, versehen sind. Die Beklagte vertreibt Geschenkartikel und hatte in der Wintersaison 2001/2002 auch die Dosen der Klägerin im Programm. In der Folge ließ sie selbst Dosen produzieren, die - ebenso wie die Dosen der Klägerin - mit kindlichen, bunten Zeichnungen bemalt und mit Schreibschrift mit kindlichem Charakter beschriftet sind. Die Dosen werden unter dem Slogan "Alles in Dosen .... für ganz wichtige Kleinigkeiten" weltweit vertrieben.

Die Klägerin begehrte, die Beklagte schuldig zu erkennen, es ab sofort zu unterlassen derartige Dosen zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten sowie im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs anzubieten und zu vertreiben. Die Unterlassungsansprüche seien nach Urheber- und Wettbewerbsrecht berechtigt.

Dazu der OGH:

Die Revision ist zur Fortentwicklung der Rechtsprechung zum Gegenstand des Urheberrechtsschutzes (§ 1 UrhG) und zur wettbewerbsrechtlichen Sittenwidrigkeit im Zusammenhang mit einer durch Übernahme fremder Leistung herbeigeführten Verwechslungsgefahr (§ 1 UWG) zulässig; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

Maßgeblich für die Zuerkennung urheberrechtlichen Schutzes ist, dass es sich um eine eigentümliche geistige Schöpfung handeln muss. Nur eine individuell eigenartige Leistung, die sich vom Alltäglichen, Landläufigen, üblicherweise Hervorgebrachten abhebt, ist geschützt. Sämtliche Motive der Klägerin weisen Originalität und Eigenart auf, die sie von anderen zeichnerischen Darstellungen deutlich abhebt. Gerade die kindliche Darstellungsart verbunden mit der kindlichen Schrift ist originell, individuell und prägend. Die urheberrechtliche Schutzfähigkeit ist daher zu bejahen.

Um beurteilen zu können, ob eine Übereinstimmung - sei es ein glattes Plagiat, sei es eine Bearbeitung iSd § 5 Abs 1 UrhG - oder aber eine selbständige Neuschöpfung (§ 5 Abs 2 UrhG) vorliegt, sind beide Werke in ihrer Gesamtheit zu vergleichen, wobei insb auch der Frage eines möglichen Wettbewerbs zwischen ihnen Bedeutung zukommen kann.

Die Beklagte hat sich bei der Motivgestaltung der gleichen künstlerischen Mittel bedient wie die Klägerin, nämlich einer kindlich-naiven zeichnerischen Darstellungsart, und einer ebensolchen Schreibweise. Diese Übereinstimmungen wird noch dadurch verstärkt, dass sich die Beklagte überwiegend derselben Farbgestaltung für Gegenstände und Hintergrund bedient hat. Eine freie Benutzung iSd § 5 Abs 2 UrhG, die keiner Zustimmung des Urhebers des Erstwerkes bedarf, liegt daher nicht vor, da dies voraussetzt, dass trotz des Zusammenhangs mit einem anderen Werk ein von diesem verschiedenes, selbständiges Werk vorliegt, dem gegenüber das Werk, an das es sich anlehnt, vollständig in den Hintergrund tritt. Es handelt sich somit um - mangels Zustimmung der Klägerin - unzulässige Bearbeitungen der Originale, die nach § 81 UrhG das Unterlassungsbegehren (sowie nach § 87e UrhG das Rechnungslegungsbegehren) rechtfertigen.

Zum Wettbewerbsrecht:Die Beklagte zieht das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses wegen ihrer Kundenzahl im deutschen Sprachraum in Zweifel. Nach stRsp müssen die Geschäftsbetriebe zweier Unternehmen nicht in der Hauptsache übereinstimmen; es genügt, wenn dies tw der Fall ist. Dies ist sowohl auf den örtlichen als auch auf den sachlichen Wirkungskreis anzuwenden. Die Klägerin hat zwar nur eine geringfügige Geschäftstätigkeit im dt Raum, es kann aber nicht davon ausgegangen werden, sie habe diesen Markt gänzlich aufgegeben. Die Streitteile sind daher Wettbewerber.Die vermeidbare Herkunftstäuschung ist - ebenso wie die unmittelbare Übernahme eines Arbeitsergebnisses oder ein Vertrauensbruch - einer jener Fälle, in denen das Nachahmen eines fremden Arbeitsergebnisses sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG ist. Um eine Herkunftsvorstellung auszulösen, muss das nachgeahmte Erzeugnis wettbewerblich eigenartig sein, also best Gestaltungen od Merkmale aufweisen, die geeignet sind, dem Verkehr eine Unterscheidung gleichartiger Erzeugnisse anderer Herkunft zu ermöglichen. Das Erzeugnis muss darüber hinaus in Verkehr gesetzt u so dem Publikum bekannt geworden sein, ohne dass jedoch Verkehrsgeltung iSd § 9 Abs 3 UWG erforderlich wäre. Für die Frage der Verkehrsbekanntheit ist nicht in erster Linie der Zeitraum maßgebend, der seit dem Inverkehrbringen des Erzeugnisses verstrichen ist, sondern die Intensität, mit dem das Erzeugnis auf dem Markt präsent geworden ist. In 2 Jahren hat die Klägerin mehr als 14.000 Stk Dosen verkauft; dies genügt zur Annahme einer gewissen Verkehrsbekanntheit. Die Dosen sind nach ihrer Form und Größe im Zusammenhang mit der Art und Weise ihrer Bemalung und Beschriftung geeignet, im Gedächtnis des Publikums zu einem Erinnerungsbild zu führen, auch wenn die Produkte keinem bestimmten Unternehmen zugeordnet werden. Die Erzeugnisse der Klägerin sind demnach wettbewerblich eigenartig.

Die Besonderheit des Sachverhalts liegt nun darin, dass die Dosen der Klägerin zwar verschiedenste Motive aufweisen, in ihrer Grundgestaltung nach Form, Farbe u Schrift aber den Eindruck einer einheitlichen Serie von Aufbewahrungsbehältnissen für unterschiedliche Zwecke erwecken. Der wettbewerbsrechtliche Tatbestand des Herbeiführens einer vermeidbaren Herkunftstäuschung infolge Nachahmens eines fremden Arbeitsergebnisses ist in einem solchen Fall schon dann erfüllt, wenn vom Nachahmer ein Produkt auf den Markt gebracht wird, das vom Publikum als Teil einer wettbewerblich eigenartigen Produktserie aufgefasst wird; darauf, dass das Unternehmen, dessen Leistung unlauter übernommen wurde, selbst ein unmittelbar als Vorbild dienendes Serienstück hergestellt hat, kommt es - entgegen der Auffassung der Beklagten - für einen Verstoß gegen § 1 UWG nicht weiter an.