10.06.2005 Wirtschaftsrecht

OGH: Ob einer Fremdsprache entnommene Begriffe Kennzeichnungskraft besitzen, hängt davon ab, ob ihre Kenntnis im Inland im Prioritätszeitpunkt so weit verbreitet war, dass der inländische Verkehr einen die Identifizierungsfunktion (= Kennzeichnungsfunktion) ausschließenden Sinngehalt erkennen konnte


Schlagworte: Fremdsprache, Kennzeichnungs- (Unterscheidungs-)kraft, Markenrecht, Domainrecht, Handelsname, Firmenschlagwort, Namensrecht, Priorität
Gesetze:

§ 9 Abs 1 UWG

In seinem Beschluss vom 14.03.2005 zur GZ 4 Ob 277/04w hatte sich der OGH mit der Kollision MarkenRecht - DomainRecht auseinander zusetzen:

Das Unternehmen der Klägerin, die mit Gesellschaftsvertrag vom 9.März 1995 errichtet und am 14. November 1996 in das Firmenbuch eingetragen wurde, beschäftigt sich mit der Entwicklung, Erzeugung und Abfüllung von Energydrinks in Aludosen, die an Großhändlervertrieben oder direkt in die Verteilernetze großer Handelsketten geliefert werden. Kraftnahrungsprodukte oder sonstige Nahrungsergänzungsmittel erzeugt oder vertreibt sie hingegen nicht. An den im eigenen Werk abgefüllten Getränkedosen findet sich der Hinweis "manufactered by Powerfoods GmbH". Die Klägerin betreibt außerdem eine Website unter www.powerfoods.at (seit 2003 registriert).Der Beklagte betreibt als Einzelunternehmer einen Handel mit Nahrungsergänzungsmitteln in Tabletten- und Pulverform und mit Produkten zur Gewichtsreduktion. Er vertreibt seine Produkte an Endverbraucher und über ein Verkaufslokal, sowie (ua) über www.powerfood.at (seit 2002 registriert). Er vekauft keine Fertiggetränke, insb verkauft er auch keine Energydrinks oder sonstige Dosengetränke.

Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, dem Beklagten die Verwendung von "powerfood.at" als Domainname zu verbieten. Zwischen den Parteien bestehe ein Wettbewerbsverhältnis. Der Name "Powerfoods" sei als Handelsname bzw Firmenschlagwort gem § 43 ABGB geschützt, sodass der Beklagte in das Namensrecht der Klägerin eingreife, § 9 UWG verletze und überdies sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG handle, da er den guten Ruf der Klägerin ausbeute.

Dazu der OGH: Bestandteile einer Firma sind als Firmenschlagwort auf Grund ihrer Namensfunktion nach § 9 Abs 1 UWG geschützt, wenn sie Unterscheidungskraft (Kennzeichnungskraft) besitzen. Sie müssen etwas Besonderes, Individuelles an sich haben, das sich schon ihrer Art nach dazu eignet, ihren Träger von anderen Personen oder Unternehmen zu unterscheiden. Ob einer Fremdsprache entnommene Begriffe Kennzeichnungskraft besitzen, hängt dabei davon ab, ob ihre Kenntnis im Inland im Prioritätszeitpunkt so weit verbreitet war, dass der inländische Verkehr einen die Identifizierungsfunktion (= Kennzeichnungsfunktion) ausschließenden Sinngehalt erkennen konnte. Die englische Sprache kennt weder das Mehrzahlwort "foods", noch den Begriff "powerfood" oder "power food". "Powerfood" ist auch kein im deutschen Sprachraum gebräuchliches Fremdwort. Es handelt sich daher um eine sprachliche Neuschöpfung. Angesichts der verbreiteten Kenntnis der englischen Sprache ist davon auszugehen, dass die Bedeutung dieser beiden Wörter ("Kraft", "Macht" bzw "Nahrung", "Essen") den beteiligten Verkehrskreisen bekannt ist. Dass dem Wort "foods" - grammatikalisch unrichtig - ein "s" angefügt ist, vermag daran nichts zu ändern, weil diese Abweichung - soweit sie überhaupt auffällt - den Sinngehalt nicht ändert. Der Sinngehalt der Wortverbindung "powerfoods" kann mit "Nahrung, die Kraft verleiht" oder "Kraftnahrung" umschrieben werden.

Für ein Unternehmen mit dem Unternehmensgegenstand der Klägerin ist "powerfoods" nicht beschreibend, sondern auch dann unterscheidungskräftig, wenn es als "Kraftnahrung" verstanden wird. Die Klägerin verwendet "powerfoods" als Firmenschlagwort, das sie, ergänzt um "manufactured by", den Rechtsformzusatz "GmbH" und die Ortsangabe auf den von ihr vertriebenen Getränkedosen anbringt. Ein - unterscheidungskräftiges - Firmenschlagwort ist als besondere Bezeichnung eines Unternehmens geschützt und kann gem § 9 Abs 1 UWG auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

Der OGH hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass die im allg Kennzeichenrecht zur Beurteilung der Verwechslungsgefahr entwickelten Grundsätze auch in Kollisionsfällen unter Beteiligung eines Domainnamens oder zwischen mehreren Domainnamen heranzuziehen sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zwischen den in Betracht kommenden Faktoren eine gewisse Wechselbeziehung besteht. Je ähnlicher die Zeichen sind, desto eher ist auch bei größerer Branchenverschiedenheit die Verwechslungsgefahr zu bejahen.

Im vorliegenden Fall wiegt die große Ähnlichkeit der Zeichen (Unterscheidung nur durch das "s" - dieser Unterschied fällt nur bei besonderer Aufmerksamkeit auf, so dass die beiden Bezeichnungen nahezu identisch sind), den größeren Abstand auf Seiten des Unternehmensgegenstandes (insoweit ähnlich, als beide Parteien Nahrungsmittel iwS vertreiben) auf.

Nach dem festgestellten Sachverhalt sind die Rechte der Klägerin am Zeichen "powerfoods" pioritätsälter als die Rechte des Beklagten am Zeichen "powerfood". Da auch bei einer Kollision zwischen der besonderen Bezeichnung eines Unternehmens und einem Domainnamen der Grundsatz des Zeitvorrangs gilt, ist der Unterlassungsanspruch der Klägerin berechtigt.