06.08.2005 Wirtschaftsrecht

OGH: Beteiligt sich der Bieter an einem für ihn erkennbar rechtwidrigen Ausschreibungsverfahren, kann ihm ein Mitverschulden entgegengehalten werden


Schlagworte: Ausschreibungsverfahren, Zuschlagskriterien, Erfüllungsinteresse, Mitverschulden, Vertrauensschaden
Gesetze:

§ 122 Abs 1 BVergG 1997, § 181 BVerG

In seiner Entscheidung vom 24.05.2005 zur GZ 5 Ob 49/05z hatte sich der OGH mit der Frage auseinanderzusetzen, ob einem Schadenersatzanspruch nach § 122 Abs 1 BVergG 1997 bzw. nunmehr § 181 BVerG ein Mitverschulden entgegengehalten werden kann, wenn der Bieter die Gesetzmäßigkeit der Ausschreibung nicht geprüft hat:

Die Klägerinnen hatten sich an einem Ausschreibungsverfahren beteiligt, wobei deren Angebot ausgeschieden wurde und einem anderen Bieter der Zuschlag erteilt wurde. Nunmehr begehrten die Klägerinnen die Zahlung des im Falle der Zuschlagserteilung zu erwartenden Gewinnes, in eventu die Kosten für Angebotlegung und -erstellung mit der Behauptung, Bestbieter gewesen zu sein. Die Beklagte wandte ein, dass die Klägerinnen ihren Schaden selbst zu tragen hätten bzw. allenfalls der Vertrauensschaden zustünde, weil es sich aufgrund der Unterlassung der Gewichtung der Zuschlagskriterien um ein unzulässiges Ausschreibungsverfahren gehandelt hätte, die Klägerinnen sich dagegen nicht zu Wehr gesetzt hätten und somit ein Mangel der Kausalität für den Nichterfüllungsschaden vorliege.

Der OGH führte dazu aus: Im Falle von Schadenersatzansprüchen wegen der Verletzung von Bestimmungen des Vergaberechts sind die allgemeinen Grundsätze anzuwenden, weshalb der Nachweis der Kausalität des schädigenden Verhaltens für den eingetretenen Schaden dem Geschädigten obliegt. Indem die Beklagte die nach den Bestimmungen des Vergaberechts erforderliche Gewichtung der Zuschlagskriterien unterlassen hat, lag bereits hierin ein rechtswidriges Verhalten, sodass der Zuschlag nicht mehr hätte erfolgen dürfen. Voraussetzung für das von den Klägerinnen begehrte Erfüllungsinteresse wäre der Beweis gewesen, in einem gesetzmäßig durchgeführten Vergabeverfahren Bestbieter gewesen zu sein. Dieser Beweis ist jedoch aufgrund des rechtwidrigen Verhaltens des Auftraggebers gar nicht möglich. Die Unterlassung der Gewichtung der Zuschlagskriterien rechtfertigt jedoch den Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, im Vergabeverfahren die Sorglosigkeit des Bieters, der sich an einem rechtswidrigen Vergabeverfahren beteiligt und der gerade wegen seiner Sachkunde dessen Rechtswidrigkeit erkennt, als Mitverschulden entsprechend den Grundsätzen des § 1304 ABGB geltend zu machen.