24.09.2005 Wirtschaftsrecht

OGH: Verträge über Individualsoftware sind mangels eines vom Unternehmer zu beschaffenden Rohstoffes nicht als Werklieferungsverträge zu qualifizieren


Schlagworte: Software, Hardware, Werkvertrag, Kaufvertrag, Werklieferungsvertrag, Interessenabwägung, Auslegung, Rüge- und Untersuchungsobliegenheit
Gesetze:

§ 377 Abs 1 HGB, § 381 Abs 2 HGB

In seinem Beschluss vom 03.08.2005 zur GZ 9 Ob 81/04h hatte sich der OGH mit der schuldrechtlichen Qualifikation von Softwareverträgen, dem Inhaltserfordernis der Mängelanzeige bei Softwaremängeln sowie der Qualifikation des Anspruches auf Herausgabe des Quellcodes als zwingendes Recht auseinanderzusetzen:

Die Klägerin begehrte die Zahlung für die vereinbarungsgemäße Herstellung einer Software, welche zur Erstellung von Physio- und Trainingstherapien in den Fitnessstudios der beklagten Parteien zum Einsatz kommen sollte. Die beklagten Parteien verweigerten die Zahlung, weil die Fälligkeit des Klagsbetrages infolge fehlender Abnahme aufgrund zahlreicher Mängel nicht eingetreten und der Quellcode nicht ausgefolgt worden sei.

Der OGH führte dazu aus: Steht nicht fest, ob die Verträge über die Lieferung von Software und Hardware ein einheitliches Rechtsgeschäft bilden, ist der Parteiwille durch Auslegung zu ermitteln, wobei schon ausreicht, dass die Leistung für einen der Vertragspartner erkennbar unteilbar ist. Ein nicht teilbarer Vertrag über die Lieferung von Hard- und Software ist als Werklieferungsvertrag zu qualifizieren. Soweit die Leistung jedoch teilbar ist, liegt bezüglich der Hardware ein Kaufvertrag, bezüglich der Software ein Werkvertrag vor. Die Herstellung einer auf den Besteller zugeschnittenen Software ist jedoch nicht als Werklieferungsvertrag zu qualifizieren, weil Software nicht aus einem Rohstoff hergestellt wird. Hinsichtlich von Softwaremängeln scheidet die Rüge- und Untersuchungsobliegenheit des § 377 Abs 1 HGB damit aus. Die Beantwortung der Frage, ob die Herausgabe des Quellcodes der erstellten Software Bestandteil des Softwareerstellungsvertrages ist, hängt von der Vereinbarung der Parteien ab und ist im Falle des Fehlens einer solchen durch Auslegung und Interessensabwägung zu ermitteln, wobei insbesondere das Interesse des Herstellers am Schutz des Programmes gegen eine Bearbeitung oder eine gegen das Urhebergesetz verstoßende Verwertung zu beachten ist.