31.03.2006 Wirtschaftsrecht

EuGH: Bei der Prüfung, ob die Ausnutzung des Rufes einer Marke, eines Handelsnamens oder anderer Unterscheidungszeichen eines Mitbewerbers durch den Werbenden unlauter ist, muss der Vorteil, den die vergleichende Werbung für die Verbraucher hat, berücksichtigt werden


Schlagworte: Markenrecht, Wettbewerbsrecht, vergleichende Werbung, unlautere Ausnutzung, Bestellnummer, Unterscheidungskennzeichen, objektive Unterscheidungsmerkmale
Gesetze:

Art 3a Abs 1 lit g der Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10. September 1984 über irreführende und vergleichende Werbung (ABl. L 250, S. 17) in der durch die Richtlinie 97/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Oktober 1997 (ABl. L 290, S. 18) geänderten Fassung

Mit Urteil vom 23.02.2006 zur GZ C-59/05 hat sich der EuGH mit vergleichender Werbung befasst:

Die Klägerin (Fa Siemens) produziert und vertreibt ua speicherprogrammierbare Steuerungen mit der Bezeichnung "Simatic". Für diese Steuerungen und ihre Zusatzbaugruppen führte sie ein aus der Kombination mehrerer Großbuchstaben und Zahlen bestehendes System von Bestellnummern ein. Die Beklagte produziert und vertreibt ebenfalls Komponenten, die mit "Simatic"-Steuerungen kompatibel sind. Dabei wird ein Bezeichnungssystem verwendet, das mit dem von der Klägerin fast identisch ist (die erste Zeichengruppe der Bestellnummern der Klägerin, z. B. "6ES5", wird dabei durch das Firmenschlagwort "VIPA" ersetzt; so wird etwa "6ES5 928-3UB21" zu "VIPA 928-3UB21"). Diese Nummer ist auf ihren Produkten und in ihrem Katalog angegeben mit dem Hinweis: "Bitte ermitteln Sie die Bestell-Nr. des von Ihnen benötigten Speichermoduls aus dem Handbuch Ihrer Baugruppe oder rufen Sie uns an! Die Bestellnummern entsprechen denen der Siemens-Speichermodule." Die Klägerin verklagte die Beklagte wegen unlauterer Ausnutzung des Rufes ihrer Produkte.

Der deutsche Bundesgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob der Ruf eines Unterscheidungszeichens eines Herstellers - es handelt sich um ein in Fachkreisen bekanntes Bestellnummernsystem für dessen Produkte - im Sinne von Artikel 3a Abs 1 lit g der Richtlinie 84/450 in unlauterer Weise ausgenutzt wird, wenn ein konkurrierender Anbieter in seinen Katalogen den Kernbestandteil dieses Unterscheidungszeichens verwendet, und ob bei der Beurteilung dieser Frage der Vorteil, den eine solche Verwendung für die Verbraucher und den Werbenden hat, zu berücksichtigen ist.

Dazu der EuGH: Nach Art 3a Abs 1 lit g der Richtlinie 84/450 gilt vergleichende Werbung als zulässig, sofern sie ua den Ruf einer Marke, eines Handelsnamens oder anderer Unterscheidungszeichen eines Mitbewerbers oder der Ursprungsbezeichnung von Konkurrenzerzeugnissen nicht in unlauterer Weise ausnutzt. Nach stRsp des Gerichtshofes nutzt der Werbende den Ruf von Unterscheidungszeichen seines Mitbewerbers nicht in unlauterer Weise aus, wenn ein Hinweis auf diese Zeichen Voraussetzung für einen wirksamen Wettbewerb auf dem in Rede stehenden Markt ist und nur eine Unterscheidung der Erzeugnisse und Dienstleistungen des Werbenden von denjenigen seines Mitbewerbers bezweckt, durch die Unterschiede objektiv herausgestellt werden sollen.

Der Beklagte behauptet eine funktionale Gleichwertigkeit der Produkte. Es handelt sich daher um einen Vergleich wesentlicher, relevanter, nachprüfbarer und typischer Eigenschaften der Produkte iSv Art 3a Abs 1 lit c der Richtlinie.

Der Gerichtshof hat ebenfalls bereits entschieden, dass die Benutzung einer Marke dann in unlauterer Weise ausgenutzt oder beeinträchtigen werden kann, wenn beim Verkehr ein falscher Eindruck über die Beziehungen zwischen dem Werbenden und dem Markeninhaber erweckt wird.

Die fraglichen Produkte sind für Fachkreise bestimmt. Die Wahrscheinlichkeit einer Assoziation zwischen dem Ruf der Produkte der Parteien ist daher viel geringer, als wenn diese Produkte für Endverbraucher bestimmt wären

Desweiteren geht aus der 2. Begründungserwägung der Richtlinie 97/55 hervor, dass durch die vergleichende Werbung auch der Wettbewerb zwischen den Anbietern von Waren und Dienstleistungen im Interesse der Verbraucher gefördert werden soll. Folglich muss der Vorteil, den die vergleichende Werbung für die Verbraucher hat, bei der Prüfung, ob die Ausnutzung des Rufes einer Marke, eines Handelsnamens oder anderer Unterscheidungszeichen eines Mitbewerbers durch den Werbenden unlauter ist, berücksichtigt werden. Im vorliegenden Fall müssten sich die Anwender anhand von Vergleichslisten die Bestellnummern für die entsprechenden Produkte der Klägerin heraussuchen. Dies wäre mit Nachteilen für die Verbraucher und die Beklagte verbunden. Daher könnten restriktive Folgen für den Wettbewerb auf dem Markt für Zusatzkomponenten für von der Klägerin hergestellte Steuerungen nicht ausgeschlossen werden.

Nach alledem ist daher auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art 3a Abs 1 lit g der Richtlinie 84/450 dahin auszulegen ist, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsrechtsstreits der Ruf eines in Fachkreisen bekannten Unterscheidungszeichens eines Herstellers nicht in unlauterer Weise ausgenutzt wird, wenn ein konkurrierender Anbieter in seinen Katalogen den Kernbestandteil dieses Unterscheidungszeichens verwendet.