05.07.2007 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Hätte ein "typischer" Arbeitnehmer bereits wesentlich früher seinen vorzeitigen Austritt erklärt, dann hat ein Kläger im Falle nachfolgender Insolvenz seines Dienstgebers keinerlei Ansprüche - also auch nicht etwaige Beendigungsansprüche - auf Insolvenz-Ausfallgeld


Schlagworte: Sozialrecht, Insolvenz-Ausfallgeld, Überwälzung des Finanzierungsrisikos, Abfertigung
Gesetze:

§ 1 IESG, § 879 ABGB

In seinem Beschluss vom 03.05.2007 zur GZ 1 Ob 23/07z hat sich der OGH mit dem IESG und der Abfertigung befasst:

Die Klägerin war im Betrieb ihres Gatten als Verkäuferin beschäftigt gewesen. Der Antrag auf Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld wurde im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass das Verhalten der Klägerin einem sogenannten "Fremdvergleich" nicht standhalten könne, da sie ca zwei Jahre hindurch praktisch keine Gehaltszahlungen mehr erhalten habe, ohne das Unternehmen zu verlassen und ernstlich zu versuchen, die aushaftenden Beträge einzubringen; dieses Verhalten habe eine Verlagerung des Finanzierungsrisikos des Arbeitgebers zu Lasten des Insolvenz-Ausfallgeldfonds bewirkt.

Dazu der OGH: Das "Stehenlassen" laufender Entgelte durch einen Arbeitnehmer wird vom OGH für die Beantwortung der Frage als maßgeblich erachtet, ob der Arbeitnehmer seiner Obliegenheit nachkam, das Arbeitsverhältnis wegen Vorenthaltens der Bezüge durch vorzeitigen Austritt zu beenden. Das Unterlassen des Austritts wird als gewichtiges Indiz für die Absicht des (säumigen) Arbeitnehmers angesehen, er wolle die anfallenden Entgeltansprüche auf den Insolvenz-Ausfallgeldfonds überwälzen bzw nehme er solches zumindest (billigend) in Kauf. Dieses Verhalten wird als sittenwidrig iSd § 879 ABGB gewertet. Da Entgeltzahlungen an die Klägerin durch etwa zwei Jahre vor Konkurseröffnung unterblieben, gelangten die Vorinstanzen auf Grund des anzustellenden "Fremdvergleichs" (mit anderen Arbeitnehmern) zutreffend zum Ergebnis, dass der Klägerin zumindest der bedingte Vorsatz der Überwälzung des Finanzierungsrisikos auf den Insolvenz-Ausfallgeldfonds anzulasten sei. Es liegen auch keine Indizien dafür vor, dass die Revisionswerberin hätte davon ausgehen können, sie werde nach einem vorübergehenden Liquiditätsengpass wieder Zahlungen erhalten.

Der Rechtsansicht der Revisionswerberin, wonach Insolvenz-Ausfallgeld (jedenfalls) für die Abfertigung zustünde, da nur laufende Entgelte "stehen gelassen" werden könnten, ist nicht zu folgen:Liegt tatsächlich eine unzulässige Überwälzung des Finanzierungsrisikos auf den Insolvenz-Ausfallgeldfonds in der Zeit vor Konkurseröffnung vor, dann ist bezüglich der Nichtigkeitsfolge nicht nach der Art des Entgeltanspruchs zu unterscheiden. Hätte ein "typischer" Arbeitnehmer bereits wesentlich früher seinen vorzeitigen Austritt erklärt, dann hat ein Kläger im Falle nachfolgender Insolvenz seines Dienstgebers keinerlei Ansprüche auf Insolvenz-Ausfallgeld. Ein derartiges Arbeitsverhältnis ist nach stRsp zur Gänze aus dem Schutzbereich des IESG ausgenommen. In einem solchen Fall gebührt überhaupt kein Insolvenz-Ausfallgeld, und zwar auch nicht für etwaige Beendigungsansprüche.