07.04.2006 Wirtschaftsrecht

EuGH: Eine feste Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat, die kein von dem Unternehmen, zu dem sie gehört, verschiedenes Rechtssubjekt ist und der das Unternehmen Dienstleistungen erbringt, ist wegen der Kosten, welche aus diesen Dienstleistungen zu bezahlen sind, nicht als Steuerpflichtiger anzusehen


Schlagworte: Steuerrecht, Umsatzsteuer, Zweigniederlassung, Rechtsverhältnis
Gesetze:

Art 2, Art 9 Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1)

Mit Urteil vom 23.03.2006 zur GZ C-210/04 hat sich der EuGH mit der Umsatzsteuer befasst:

FCE IT ist eine Zweigniederlassung (keine eigene Rechtspersönlichkeit) in Italien der in England niedergelassenen Gesellschaft FCE Bank, deren Unternehmensgegenstand die Erbringung mehrwertsteuerfreier Tätigkeiten im Finanzbereich ist. FCE IT erhielt von der FCE Bank Dienstleistungen in den Bereichen Beratung, Management, Personalaus- und -fortbildung, Datenverarbeitung sowie Bereitstellung und Betreuung von Anwendersoftware. Sie beantragte, gestützt auf Rechnungen, die sie sich selbst ausstellte, die Erstattung der Mehrwertsteuer für diese Leistungen.

Die Corte suprema di cassazione hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Art 2 Nr 1 u 9 Abs 1 der Richtlinie dahin auszulegen sind, dass eine feste Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat, die kein von dem Unternehmen, zu dem sie gehört, verschiedenes Rechtssubjekt ist und der das Unternehmen Dienstleistungen erbringt, aufgrund der Kosten, mit denen sie wegen der genannten Dienstleistungen belastet wird, als Steuerpflichtiger anzusehen ist.

Dazu der EuGH: Aus der Rsp des Gerichtshofes ergibt sich, dass eine Leistung nur dann steuerbar ist, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden. Zur Klärung der Frage, ob ein solches Rechtsverhältnis zwischen einem gebietsfremden Unternehmen und einer seiner Niederlassungen besteht, ist zu untersuchen, ob FCE IT einer selbständigen Wirtschaftstätigkeit nachgeht, sie also als selbständige Bank betrachtet werden kann, die insb das wirtschaftliche Risiko ihrer Tätigkeit trägt. Dies trifft hier nicht zu, da die Zweigniederlassung über kein Dotationskapital verfügt. Das Risiko lastet auf der Bank als juristischer Person, deren finanzielle Stabilität und Zahlungsfähigkeit deshalb im Herkunftsmitgliedstaat überwacht wird. FCE IT ist demnach von dieser abhängig, mit der zusammen sie einen einzigen Steuerpflichtigen bildet.

Schließlich ist zum Vorliegen einer Vereinbarung über die Aufteilung der Kosten zu sagen, dass es sich ebenfalls um für die vorliegende Rechtssache nicht relevante Umstände handelt, da eine solche Vereinbarung nicht zwischen unabhängigen Parteien ausgehandelt wurde.

Nach alledem ist auf die Frage zu antworten, dass die Artikel 2 Nummer 1 und 9 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen sind, dass eine feste Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat, die kein von dem Unternehmen, zu dem sie gehört, verschiedenes Rechtssubjekt ist und der das Unternehmen Dienstleistungen erbringt, nicht aufgrund der Kosten, mit denen sie wegen der genannten Dienstleistungen belastet wird, als Steuerpflichtiger anzusehen ist.