27.07.2007 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Ausführungen zur Ermittlung des Umfangs der zuerkannten Kollektivvertragsfähigkeit


Schlagworte: Arbeitsverfassungsrecht, Umfang der Kollektivvertragsfähigkeit, freiwillige Interessenvertretungen
Gesetze:

§ 4 Abs 2 ArbVG

In seinem Beschluss vom 09.05.2007 zur GZ 9 ObA 114/06i hat sich der OGH mit der Ermittlung des Umfangs der zuerkannten Kollektivvertragsfähigkeit befasst:

OGH: Die Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit an freiwillige Interessenvertretungen iSd § 4 Abs 2 ArbVG erfolgt durch rechtsgestaltenden Bescheid des Bundeseinigungsamts (vormals: Obereinigungsamt). Die vom Antragsgegner bekämpfte Rechtsprechung des OGH zur Ermittlung des räumlichen, personellen und sachlichen Geltungsbereichs der mit einem derartigen Bescheid zuerkannten Kollektivvertragsfähigkeit ist völlig einhellig. Sie lässt sich wie folgt zusammenfassen:Wie bei jedem Bescheid muss grundsätzlich auch im Bescheid über die Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit der Spruch bestimmt sein. Er hat sich auf jenen Sachverhalt zu beziehen, der im Zeitpunkt der Erlassung bestand; dies umso mehr, als mit der Erteilung der Kollektivvertragsfähigkeit die Verleihung einer Rechtssetzungsbefugnis verbunden ist und der Bescheid daher nicht nur auf den Bescheidadressaten Auswirkungen hat. Aus diesem Grund ist der Umfang der Kollektivvertragsfähigkeit auch statisch zu betrachten. Nachträgliche Änderungen des satzungsgemäßen Aufgabenbereichs vermögen den Umfang der Kollektivvertragsfähigkeit der Körperschaft weder auszuweiten noch einzuschränken. Dafür wäre eine bescheidmäßige Erweiterung oder (teilweise) Aberkennung nötig. Liegt eine bescheidmäßige Zuerkennung ohne Einschränkung vor, wie dies bei stattgebenden Entscheidungen der überwiegend geübten Verleihungspraxis entspricht und von der Lehre zutreffend kritisiert wird, dann erschließt sich der räumliche, personelle und sachliche Geltungsbereich der Kollektivvertragsfähigkeit nicht mit Hilfe von Spekulationen darüber, was das Bundes- oder Obereinigungsamt möglicherweise trotz Fehlens einer Einschränkung "zuerkennen wollte". Der Umfang der Kollektivvertragsfähigkeit ergibt sich diesfalls aus den die innere Organisation und den Aufgabenbereich dieser Berufsvereinigung regelnden Bestimmungen ihrer Statuten.

Die Auffassung des Antragsgegners, die einmal zuerkannte Kollektivvertragsfähigkeit umfasse auch auf Grund einer späteren Statutenänderung neu beitretende Mitglieder, die zum Zeitpunkt der Erlassung des Zuerkennungsbescheides nach den damals geltenden Statuten nicht Mitglied hätten sein können, würde zu einer Ausweitung des Umfangs der Kollektivvertragsfähigkeit auf einen bei der Zuerkennung weder bedachten noch vorhersehbaren Mitgliederkreis führen und insoweit die Möglichkeit einer Umgehung der für die später beitretenden Mitglieder ungeprüft bleibenden Voraussetzungen des 4 Abs 2 ArbVG eröffnen.