11.08.2006 Wirtschaftsrecht

OGH: Ohne Feststellung der Rechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens gem § 341 Abs 2 Z 2 BVergG 2006 ist der Rechtsweg für eine vorbeugende Unterlassungsklage nach UWG - im Unterschied zur alten Rechtslage - unzulässig


Schlagworte: Wettbewerbsrecht, Vergaberecht, Direktvergabe, Vergabekontrollbehörde, Mitbewerber, Auftraggeber
Gesetze:

§ 1 UWG, § 341 Abs 2 Z 2 BVergG 2006, § 345 Abs 4 BVergG 2006, BVergG 2002

In seinem Beschluss vom 23.05.2006 zur GZ 4 Ob 23/06w hatte sich der OGH mit den Folgen des Verstoßes gegen das Vergaberecht auseinanderzusetzen:

Die Parteien stehen im Wettbewerb beim Vertrieb von Arzneimitteln mit einem bestimmten Wirkstoff ("FDG"). Das LKH-Universitätsklinikum Graz war damit zunächst von der Beklagten, dann von der Klägerin und zuletzt wieder von der Beklagten beliefert worden. Die letzte Auftragsvergabe erfolgte trotz Übertretung des Schwellenwertes direkt. Die Klägerin sieht in der unterbliebenen Rüge, der Abgabe des Angebots, der Annahme des Auftrags und auch dessen Erfüllung eine Sittenwidrigkeit iSv § 1 UWG.

Dazu der OGH: Nach § 341 Abs 2 BVergG 2006 ist eine zivilrechtliche Schadenersatzklage (wie grundsätzlich schon bisher) nur zulässig, wenn die zuständige Vergabekontrollbehörde bestimmte Rechtswidrigkeiten des Vergabeverfahrens festgestellt hat. Darunter fällt nun auch der Umstand (Z 2), dass "die Wahl der Direktvergabe oder eines Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung nicht zu Recht erfolgte." Darüber hinaus ist eine solche Feststellung nach § 341 Abs 2 Z 2, letzter Satz, BVergG 2006 nun auch für die Geltendmachung von "Ansprüche[n] aus unlauterem Wettbewerb" erforderlich. Nach altem Recht (BVergG 2002) hing die Zulässigkeit des Rechtswegs nicht von der vorherigen Befassung der Vergabekontrollbehörde ab. Für jene wettbewerbsrechtliche Verfahren, die bei Inkrafttreten des BVergG 2006 schon anhängig waren, sind aufgrund einer analogen Anwendung von § 345 Abs 4 BVergG 2006 auch aus verfahrensrechtlicher Sicht nach dem BVergG 2002 zu Ende zu führen. Die Zulässigkeit des Rechtswegs hängt daher nicht von der Feststellung der Rechtswidrigkeit durch die Vergabekontrollbehörde ab.

Bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung von Verstößen gegen das Vergaberecht ist nur das "horizontale" Verhältnis zwischen Mitbewerbern relevant. Entscheidungen zu Unterlassungsansprüchen gegen den Auftraggeber können daher außer Betracht bleiben.

Bieter dürfen grundsätzlich darauf vertrauen, dass der Auftraggeber das Vergaberecht einhält. Bloße Zweifel an der Zulässigkeit des Angebotes verpflichten daher noch nicht zur Selbstbeschränkung. Die Vergaberechtswidrigkeit eines Angebots muss so offensichtlich sein, dass die Abgabe nicht mit guten Gründen vertreten werden kann. Das steht im Einklang mit der stRsp, wonach ein Gesetzesverstoß wettbewerbsrechtlich nicht relevant ist, wenn er auf einer vertretbaren Rechtsansicht beruht.