09.05.2007 Wirtschaftsrecht

OGH: Die Verhängung einer Zwangsstrafe iSd § 283 Abs 1 UGB gegen den Masseverwalter ist zulässig


Schlagworte: Unternehmensrecht, Offenlegung, Masseverwalter, Zwangsstrafe
Gesetze:

§ 283 UGB

In seinem Beschluss vom 16.03.2007 zur GZ 6 Ob 154/05y hat sich der OGH mit der Frage befasst, ob der Masseverwalter einer Kapitalgesellschaft durch Zwangsstrafen nach § 283 UGB zur Offenlegung der nach Maßgabe der §§ 277 ff UGB beim Firmenbuchgericht einzureichenden Unterlagen der Gesellschaft für volle vor Konkurseröffnung abgelaufene Geschäftsjahre verhalten werden kann:

Der Aufforderung des Erstgerichts, die Jahresabschlüsse der GmbH gemäß den gesetzlichen Bestimmungen vorzulegen, erwiderte der Masseverwalter, dass ihm die Unterlagen, die zur Erstellung des Jahresabschlusses erforderlich seien, nicht vorlägen, sodass er eine "entsprechende Vorlage" nicht vornehmen könne. Nachdem eine neuerliche, mit der Androhung der Verhängung einer Zwangsstrafe verbundene Aufforderung vom Masseverwalter nicht beantwortet worden war, verhängte das Erstgericht - gestützt auf § 283 UGB (HGB) - die angedrohten Zwangsstrafen.

Dazu der OGH: Die Konkurseröffnung über das Vermögen einer GmbH ändert nichts an der Pflicht zur Aufstellung des Jahresabschlusses und seiner Offenlegung für Geschäftsjahre vor der Konkurseröffnung. Soweit diese Pflichten von den Geschäftsführern nicht erfüllt worden sind, treffen sie den Masseverwalter. Den Geschäftsführern stehen nämlich die für die unternehmensrechtliche Rechnungslegung erforderlichen Buchführungsunterlagen und Belege nicht zur Verfügung, gehören doch die Handelsbücher des Gemeinschuldners zur Konkursmasse und sind daher vom Masseverwalter in Besitz zu nehmen. Da der Masseverwalter im Bereich der Rechnungslegung die gesetzlichen Vertreter der GmbH (Geschäftsführer bzw Liquidatoren) verdrängt und die Handelsbücher der Gesellschaft in Besitz zu nehmen und zu führen hat, lässt sich der Masseverwalter als gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft iSd §§ 222 Abs 1, 277 Abs 1 UGB begreifen.

Die Zwangsstrafe nach § 283 UGB ist keine "Kriminalstrafe", weil nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers die Zwangsstrafe der "besseren Durchsetzung der Verpflichtung zur Vorlage des Jahresabschlusses" dient.

§ 283 Abs 1 UGB umschreibt die Mitglieder des gesetzlichen Vertretungsorgans in auslegungsbedürftiger Art, weil der Ausdruck "Abwickler" im Aktiengesetz (s §§ 206 ff AktG), nicht aber im GmbH-Gesetz verwendet wird. Dort werden die gesetzlichen Vertreter der aufgelösten Gesellschaft als "Liquidatoren" bezeichnet (s §§ 89 ff GmbHG). Es wäre unhaltbar, unter "Abwickler" nicht auch die funktionsgleichen "Liquidatoren" zu verstehen. Hält man sich dies und weiters vor Augen, dass die Funktion des Masseverwalters jener eines "Abwicklers" ("Liquidators") ähnlich ist, so lässt sich unter "Abwickler" zwanglos auch der Masseverwalter als Adressat der Zwangsstrafe begreifen.