24.05.2007 Wirtschaftsrecht

OGH: Verpflichtet sich ein Kreditkartenunternehmen, seinem Vertragspartner grundsätzlich auch dann Zahlung zu leisten, wenn diesem die Kreditkarte beim betreffenden Geschäft nicht vorgelegt wurde, so ist eine Vertragsklausel im Allgemeinen nicht sittenwidrig, nach der das Unternehmen berechtigt ist, geleistete Zahlungen zurückzufordern, wenn der Vertrag unter Angabe einer Kreditkartennummer von einer anderen Person als dem Kreditkarteninhaber abgeschlossen wurde


Schlagworte: Händlervertrag, Kreditkartenunternehmen, Kreditkartenmissbrauch, Risikoverteilungsklausel
Gesetze:

§§ 1400 ff ABGB, § 879 Abs 3 ABGB

In seinem Erkenntnis vom 27.02.2007 zur GZ 1 Ob 1/07i hat sich der OGH mit dem Händlervertrag eines Kreditkartenunternehmens befasst:

Der Kläger ist Kunsthändler und betreibt ua eine Online-Galerie. Zu diesem Zweck schloss er mit einer Kreditkartengesellschaft einen Händlervertrag, der es seinen Kunden ermöglichte, unter Vorlage einer Kreditkarte zu zahlen. Mit Zusatzvereinbarung wurde dieser Vertrag auch auf Zahlungen ohne Vorlage der Kreditkarte ausgedehnt.

Punkt 3. der Zusatzvereinbarung lautet: "Das Vertragsunternehmen [das ist hier der Kläger] übernimmt alle Risiken, die aus der Nichtvorlage der ... [Kredit-]Karte entstehen können, insbesondere die Angabe von Karten-(nummern), deren Gültigkeit bereits abgelaufen ist, die gesperrt oder fingiert sind bzw. Abgabe einer gefälschten Unterschrift auf der Bestellung. In diesem Sinn erklärt sich das Vertragsunternehmen damit einverstanden, dass im Falle von Reklamationen, die aus den genannten Gründen entstehen, die ... AG berechtigt ist, reklamierte Beträge unverzüglich rückzubuchen."

Im Juli 2002 bestellte ein Kunde aus Indonesien via Internet ein Bild. Die Übereinstimmung des angegebenen Karteninhabers mit der Kartennummer wurde von der Kreditkartengesellschaft - entgegen der Annahme des Klägers - nicht geprüft. In der Folge bestritt der benannte Karteninhaber allerdings die Transaktion. Der Kläger begehrte von der Kreditkartengesellschaft die Zahlung des einbehaltenen Betrags und führte aus, dass das Risiko des Kreditkartenmissbrauchs von der Kreditkartengesellschaft zu tragen wäre. Punkt 3. der Zusatzvereinbarung sei gemäß § 879 Abs 3 ABGB nichtig.

Dazu der OGH: Eine Angemessenheitskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB ist in einem beweglichen System vorzunehmen. Dabei ist auf die sachliche Rechtfertigung des Abgehens des vom dispositiven Recht grundsätzlich vorgesehenen Interessensausgleichs einerseits und das Ausmaß der verdünnten Willensfreiheit andererseits abzustellen. Geht man davon aus, dass sich bei den hier fraglichen Geschäften Käufer und Verkäufer nicht persönlich gegenüberstehen und eine Identitäts- und Legitimationsprüfung durch das (österreichische) Kreditkartenunternehmen bei ausländischen Karteninhabern auf Grund fehlender technischer Voraussetzungen gar nicht stattfinden konnte, so ist diese Form des bargeldlosen Einkaufs, insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeit des Ausspionierens von Kreditkarteninformationen im offenen Netzwerk oder bei einer sonstigen Verwendung der Kreditkarte im Zahlungsverkehr, besonders missbrauchsanfällig. Der "Kreditkartenmissbrauch" ist somit unter Bedachtnahme auf das besondere Risiko der unterschriftslosen Transaktion, bei der auch die Karte nicht vorgelegt wird, eher der Sphäre des Vertragsunternehmens zuzurechnen. Zwar wird auch das Vertragsunternehmen seinen Kunden in aller Regel ebensowenig überprüfen können, doch darf nicht übersehen werden, dass der Missbrauch durch einen Vertragspartner des Vertragsunternehmens und nicht durch einen Vertragspartner des Kreditkartenunternehmens erfolgt. Das Risiko betrügerischer Bestellungen gehört zu den typischen Risiken des Fernabsatzes, mit denen Händler seit jeher umzugehen haben. Bietet ein Vertragsunternehmen ungeachtet dieser Risiken dennoch Geschäfte im Fernabsatz an, so erscheint die (alleinige) Zuweisung dieses Risikos an das Vertragsunternehmen im Zuge der Risikoverteilungsklausel sachlich gerechtfertigt, zumal der Händler die Möglichkeit hat, von derartigen Geschäften Abstand zu nehmen, wogegen die Kreditkartengesellschaft einen Missbrauch wie hier vorliegend nicht unterbinden kann und auch auf den Vertragsabschluss und dessen Modalitäten keinen Einfluss hat.