06.12.2007 Wirtschaftsrecht

OGH: Schutz- und Sorgfaltspflichten der Bank iZm einer Bankgarantie

Es ist allgemein anerkannt, dass sich die Bank bei Eröffnung einer Garantie gem dem Prinzip der formalen Auftragsstrenge grundsätzlich strikt innerhalb der Grenzen des Auftrags ihres Auftraggebers zu halten und deren Weisungen bezüglich des Garantietextes zu beachten hat; eine Nachfrage nach den Gegebenheiten des Grundgeschäfts, um den mutmaßlichen Willen des Auftraggebers zu erforschen, widerspricht generell dem Charakter der Bankgarantie, bei der das Valutaverhältnis strikt vom Garantieverhältnis getrennt ist


Schlagworte: Bankrecht, Bankgarantie, Schutz- und - Sorgfaltspflichten, Schadenersatzrecht
Gesetze:

§ 880a ABGB, §§ 1295 ff ABGB

GZ 1 Ob 44/07p, 11.09.2007

OGH: Die klagende Partei machte als Begünstigte aus einer Anzahlungsgarantie Schadenersatzansprüche gegen die Garantin (die beklagte Partei) geltend. Charakteristikum einer Anzahlungsgarantie ist, dass nicht der sich aus dem Vertrag ergebende Anspruch auf die Hauptleistung abgesichert wird, sondern der Anspruch auf Rückgabe der geleisteten Anzahlung, sollte die angezahlte Ware nicht geliefert werden. Da der Garantievertrag nicht von der Bank des Vertragspartners der klagenden Partei (der erstbeauftragten Bank) abgeschlossen wurde, sondern diese die beklagte Partei als Zweitbank einschaltete und damit beauftragte, die Garantie im eigenen Namen "hinauszulegen", liegt eine indirekte Garantie vor, bei der der Garantievertrag zwischen der beklagten Partei (als Garantin) und der klagenden Partei (als Begünstigter) zustande kam. Schadenersatzpflichtig würde die beklagte Zweitbank, sollte ihr zu Lasten der klagenden Partei ein vertragswidriges (schuldhaftes) Handeln bei der im Auftrag der erstbeauftragten Bank erfolgten Erstellung und Abwicklung des Garantievertrags oder die Verletzung von aus dem Schuldverhältnis zwischen Garantin und Begünstigter sich ergebenden Schutz- und Sorgfaltspflichten vorwerfbar sein. Diesfalls hätte die beklagte Partei gem § 880a ABGB "volle Genugtuung" zu leisten.

Ein vertragswidriges Verhalten erblickt die klagende Partei darin, die beklagte Partei habe es unterlassen, die Vertretungsbefugnis des Herrn Del P***** für die klagende Partei zu überprüfen, etwa durch eine telefonische Rückfrage oder die Einholung eines Auszugs aus einem öffentlichen Register. Es ist aber allgemein anerkannt, dass sich die Bank bei Eröffnung einer Garantie gem dem Prinzip der formalen Auftragsstrenge grundsätzlich strikt innerhalb der Grenzen des Auftrags ihres Auftraggebers (hier der erstbeauftragten Bank) zu halten und deren Weisungen bezüglich des Garantietextes zu beachten hat. Eine Nachfrage nach den Gegebenheiten des Grundgeschäfts, um den mutmaßlichen Willen des Auftraggebers zu erforschen, widerspricht generell dem Charakter der Bankgarantie, bei der das Valutaverhältnis strikt vom Garantieverhältnis getrennt ist. Im vorliegenden Fall gehörte nach dem Auftrag der erstbeauftragten Bank die Überprüfung der Vertretungsbefugnis des Herrn Del P***** nicht zum Aufgabenkreis der beklagten Partei. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, entsprechend der ihr erteilten Weisung habe die beklagte Partei nicht nachzuforschen gehabt, ob Del P***** Vertretungsmacht besaß, sondern sei lediglich dazu verpflichtet gewesen, dessen Identität durch Einsicht in den Reisepass zu überprüfen, weicht von dieser Rechtsprechung nicht ab. Nur wenn eine Falschbezeichnung vorläge und die Bank trotz dieser den Auftrag richtig verstanden hätte, wäre ausnahmsweise nicht der Grundsatz der formalen Auftragsstrenge, sondern der innere Wille des Auftraggebers maßgebend. Für konkrete Verdachtsmomente in dieser Richtung, die (ausnahmsweise) doch zu Nachforschungen darüber verpflichten hätten können, ob die Begünstigte tatsächlich die Ausfolgung der Garantieurkunden an Herrn Del P***** wünschte, bestanden aber keine Anhaltspunkte. Das Vorbringen der klagenden Partei, schon die Einholung eines Auszugs aus einem öffentlichen Register (Firmenbuch) hätte dessen mangelnde Vertretungsbefugnis ergeben und den Betrug verhindert, erweist sich schon deshalb als nicht stichhältig, da es den Vertragsparteien frei steht, die Ausfolgung der Garantieurkunde nicht nur an ein vertretungsbefugtes Organ, sondern auch an einen (nicht vertretungsbefugten) Boten zu vereinbaren, der in einem öffentlichen Register wohl nicht aufschiene.

Zum Vorwurf der Verletzung der sich aus dem Verhältnis zwischen Garantin und Begünstigtem ergebenden Schutz- und Sorgfaltspflichten: Die Frage nach Art und Ausmaß der aus der Geschäftsbeziehung zwischen einem Kreditinstitut und einem Kunden entspringenden Sorgfalts- und Aufklärungspflichten ist nach stRsp grundsätzlich eine solche des Einzelfalls. Generell wird darauf abgestellt, ob der andere Teil nach den Grundsätzen des redlichen Geschäftsverkehrs eine Aufklärung erwarten durfte. Nach der Rechtsprechung dürfen die Anforderungen an die Aufklärungspflichten der Kreditinstitute nicht überspannt werden, sondern ist dem Bankkunden zuzumuten, seine wirtschaftlichen Interessen grundsätzlich selbst zu wahren. So werden Warnpflichten über Risiken, die sich speziell aus einer Bankgarantie ergeben, im Allgemeinen abgelehnt, weil es sich bei der Bankgarantie um eine im Handelsverkehr gebräuchliche Sicherungsform handelt, sodass die Bank in der Regel davon ausgehen kann, der Auftraggeber und der Begünstigte würden hinreichende Sachkenntnis besitzen.

Der beklagten Partei ist auch kein Organisationsverschulden vorwerfbar, indem sie (bzw "der Bankensektor") dafür Sorge zu tragen gehabt hätte, dass Bankgarantien "in höchstem Ausmaß Fälschungs- und Betrugssicherheit" aufweisen. Eine objektive Sorgfaltswidrigkeit kann wohl nur an den anerkannten Maßstäben der internationalen Garantiepraxis gemessen werden. Die beklagte Partei war zur Einhaltung jener Sorgfalt verpflichtet, die ein im internationalen Garantiegeschäft tätiges Bankinstitut in ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Verpflichtungen regelmäßig anwendet. Dass bei internationalen Bankgarantien nunmehr generell von Papiergarantien abgegangen worden und eine Umstellung des Garantiewesens auf ein ausschließlich auf "SWIFT-Garantien" beruhendes System erreicht sei, wird von der klagenden Partei gar nicht behauptet, sondern lediglich als wünschenswert angesehen.