17.01.2008 Wirtschaftsrecht

OGH: Umfang des Begriffes "Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis" iSd § 8 Abs 1 VerG

Trotz des weiten Verständnisses des Begriffes der "Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis" iSd § 8 Abs 1 VerG sind davon aber nicht schlechthin alle privatrechtlichen Ansprüche eines Vereinsmitgliedes gegen den Verein oder ein anderes Vereinsmitglied erfasst


Schlagworte: Vereinsrecht, Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis
Gesetze:

§ 8 VerG

GZ 2 Ob 273/06w, 18.10.2007

OGH: § 8 Abs 1 VerG erfasst seinem Wortlaut nach alle "Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis". Diesen Begriff hat der 6.Senat in 6 Ob 219/04f unter Bedachtnahme auf den aus den Gesetzesmaterialien (ErlRV 990 BlgNR 21. GP 28) abgeleiteten gesetzgeberischen Willen dahin interpretiert, dass die gem §§ 3 und 8 VerG vorzusehenden Schlichtungseinrichtungen nicht mehr nur bei bloßen Meinungsverschiedenheiten über vereinsinterne Angelegenheiten oder allenfalls darüber hinaus nur mit Fällen typischer interner Selbstverwaltung befasst werden sollten, wie dies nach der alten Rechtslage von einem Teil der Rechtsprechung vertreten worden sei. Er sei vielmehr auf alle privatrechtlichen Streitigkeiten zwischen Vereinsmitgliedern und dem Verein oder Vereinsmitgliedern untereinander auszudehnen, sofern sie mit dem Vereinsverhältnis im Zusammenhang stünden. Im damaligen Anlassfall galt es zu beurteilen, ob die Schlichtungseinrichtung mit den Schadenersatzansprüchen des Vereins und dreier Vereinsmitglieder gegen einen (ehemaligen) Vereinsfunktionär vor Anrufung des ordentlichen Gerichtes zu befassen war, wobei den Ansprüchen der Vorwurf pflichtwidrigen Handelns und der Vortäuschung falscher Tatsachen zugrunde lag. Der Senat bejahte dies, weil der zu klärende Privatrechtsstreit ohne Verbundenheit der beteiligten Personen mit dem klagenden Verein (dem auch die Schadenersatzansprüche der Vereinsmitglieder zediert worden waren) nicht denkbar sei. Dem ist auch der 5. Senat in einer Rechtssache gefolgt, in der ein Vereinsmitglied die Wirksamkeit mehrerer von der Generalversammlung gefasster Beschlüsse angefochten hatte (5 Ob 60/05t). Zuletzt wurde in 4 Ob 146/07k darauf abgestellt, ob eine Streitigkeit über die Erbringung von mit der Mitgliedschaft verknüpfter Leistungen an den Verein (in casu: Mitgliedsbeiträge) ihre Wurzel denknotwendig in der Vereinsmitgliedschaft hat.

Trotz dieses weiten Verständnisses des Begriffes der "Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis" iSd § 8 Abs 1 VerG sind nach Auffassung des erkennenden Senates davon aber nicht schlechthin alle privatrechtlichen Ansprüche eines Vereinsmitgliedes gegen den Verein oder ein anderes Vereinsmitglied erfasst. Beruht der Anspruch auf einem selbständigen vertraglichen Schuldverhältnis, für dessen Zustandekommen die Vereinszugehörigkeit nicht denknotwendige Voraussetzung ist, liegt seine Grundlage nicht im Vereinsverhältnis, sondern in dem zwischen den Streitparteien abgeschlossenen Vertrag.

Im vorliegenden Fall beruht die eingeklagte Forderung auf einer von der Rechtsform der künftigen Zusammenarbeit unabhängigen, im Vorfeld des "Projektvertrages" abgeschlossenen schuldrechtlichen Vereinbarung mit der beklagten Partei, worin sich diese - vom Inhalt des späteren Projektvertrages abweichend - zur Übernahme der mit der Beteiligung am Projekt verbundenen, durch Förderungsgelder nicht gedeckten Aufwände verpflichtet haben soll. Sie begründet daher keine denknotwendig im Vereinsverhältnis wurzelnde Streitigkeit, sodass § 8 VerG einer Anrufung des ordentlichen Gerichtes nicht entgegensteht.