24.01.2008 Wirtschaftsrecht

OGH: Betriebshaftpflichtversicherung

Umfang des Deckungsanspruchs nach AHVB mit Einbeziehung der Besonderen Bedingung Nr 0934; Auslegung von Versicherungsbedingungen


Schlagworte: Versicherungsrecht, Betriebshaftpflichtversicherung, Risikoausschluss, Risikoeinschluss, Umfang des Deckungsanspruchs, fehlerhafte Werkleistung, Vermögensschaden, Sachschaden, Mangelfolgeschaden, Auslegung
Gesetze:

Art 1 AHVB, Art 7 AHVB, Besondere Bedingung Nr 0934

GZ 7 Ob 147/07d, 17.10.2007

Zwischen den Parteien besteht ein Betriebshaftpflichtversicherungsvertrag, dem die AHVB 1997 und EHVB 1997 sowie die Besondere Bedingung Nr 0934 zugrunde liegen. Der Kläger wurde mit der Verlegung eines Fliesenbodens in einem Geschäftslokal einer Supermarktkette beauftragt. Durch das Befahren des von ihm verlegten Fliesenbodens mit einem Hubwagen beim Anliefern der Waren entstanden an der Verfliesung Abplatzungen und Sprünge, die auf einen Verlegefehler des Klägers (Verwendung des falschen Untergrundes) zurückzuführen waren. Noch am selben Tag beschloss der Generalunternehmer, das gesamte Fliesenbett abzubrechen und zu erneuern. Die aus dem Verlegefehler entstandenen Schäden durch sogenannte "sonstige Mehrkosten des Bauträgers" (zusätzlich zu den Kosten der Herstellung des Werkes), und zwar für Personalaufwand für Filialmitarbeiter, Ertragsverlust aufgrund der späteren Eröffnung der Filiale, frustrierten Werbeaufwand samt Versandkosten, entgangenen Baukostenzuschuss, Rechtsanwaltskosten, Mietentgang aufgrund der späteren Übergabe an den Betreiber für den Monat Oktober und Kosten eines Unternehmens für die Abwicklung des Schadenereignisses belaufen sich auf EUR 345.203,87. Der Generalunternehmer trat mit dieser Forderung an den Kläger heran.

OGH: Nach stRsp ist nach dem versicherungswirtschaftlichen Zweck in der Betriebshaftpflichtversicherung das Unternehmerrisiko selbst grundsätzlich nicht versicherungsfähig. Grundsätzlich ist daher nicht die Ausführung der bedungenen Leistung versichert. Die Versicherung erstreckt sich auch nicht auf Erfüllungssurrogate. Wohl aber sind Schadenersatzansprüche gedeckt, die dem Vertragspartner des Versicherungsnehmers aus der fehlerhaften Leistung entstanden sind. Allgemein kann also gesagt werden, dass von der Betriebshaftpflichtversicherung der Ersatz von Mangelfolgeschäden umfasst ist, nicht jedoch jener von Erfüllungssurrogaten. Deckung besteht also nur für jene Schäden, die jenseits des Interesses liegen, das an der ordnungsgemäßen Herstellung und Lieferung einer Sache besteht. In diesem Sinn ist der vorliegende Art 7 AHVB 1997 zu verstehen.

Nach Art 1.2.1.1 AHVB 1997 bezieht sich das Leistungsversprechen nicht auf den Gesamtbereich des Schadensbegriffes des § 1293 ABGB, sondern nur auf die Deckung von Personenschäden und Sachschäden sowie solcher Vermögensschäden, die auf einen versicherten Personenschaden oder Sachschaden zurückzuführen sind. Demgegenüber sind sog reine Vermögensschäden, das sind Schäden, die weder durch einen versicherten Personenschaden noch durch einen versicherten Sachschaden entstanden sind, nicht mitversichert. Es kommt auf den Ursachenzusammenhang an. Ist der betreffende Vermögensschaden ein Schaden, der mit dem versicherten Personenschaden oder Sachschaden in einem ursächlichen Zusammenhang iSd Lehre der Adhäsionstheorie steht, so ist ein solcher Vermögensschaden als unechter Vermögensschaden regelmäßig gedeckt.

Sachschaden ist die Beschädigung oder Vernichtung von Sachen. Eine Beschädigung liegt vor, wenn auf die Substanz einer (bereits bestehenden) Sache körperlich so eingewirkt wird, dass deren zunächst vorhandener Zustand beeinträchtigt und dadurch ihre Gebrauchsfähigkeit aufgehoben oder gemindert wird. Die mangelhafte Herstellung einer Sache ist grundsätzlich keine Sachbeschädigung. Ist nämlich die Sache noch nicht fehlerfrei hergestellt, kann sie nicht durch die Leistung des Versicherungsnehmers beschädigt werden.

Durch die fehlerhafte Werkleistung des Klägers ist also ein von den AHVB nicht umfasster reiner Vermögensschaden im Sinn eines Mangelfolgeschadens entstanden. Dieser ist nur dann gedeckt, wenn die Parteien eine besondere Vereinbarung darüber geschlossen haben, was hier durch die Vereinbarung der Besonderen Bedingung Nr 0934 geschehen ist. Mit der Besonderen Bedingung Nr 0934 erfolgt ein sekundärer Risikoeinschluss für reine Vermögensschäden abweichend von Punkt 1.2.1.1 AHVB 1997. In Punkt 3.3.7 der Besonderen Bedingung Nr 0934 allerdings werden die Schadenersatzverpflichtungen aus Nichterfüllung bzw Schlechterfüllung oder nicht rechtzeitiger Erfüllung von Verträgen wieder ausgeschlossen.

Nach stRsp sind Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie sie von einem durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer zu verstehen sind, wobei Unklarheiten zu Lasten des Versicherers gehen. Nach den AHVB sind, wie bereits dargelegt, nur Personenschäden, Sachschäden und Vermögensschäden, die auf einen versicherten Sach- oder Personenschaden zurückzuführen sind, versichert. Wird nun der reine Vermögensschaden durch die Besondere Bedingung Nr 0934 wiederum eingeschlossen und pauschal in Punkt 3.3.7 Schadenersatzforderungen aus Nichterfüllung, Schlechterfüllung oder nicht rechtzeitiger Erfüllung von Verträgen wieder ausgeschlossen, so kann dies von einem verständigen Versicherungsnehmer nur so aufgefasst werden, dass auch für reine Vermögensschäden der oben dargelegte Grundsatz ausdrücklich vereinbart werden soll, dass dem Versicherungsnehmer nicht das unternehmerische Risiko abgenommen wird und auch bei reinen Vermögensschäden alle Erfüllungssurrogate nicht ersetzt werden sollen. Nicht hingegen kann der Bestimmung entnommen werden, dass für Mangelfolgeschäden generell nicht gehaftet wird, da ansonsten dem Risikoeinschluss kaum Anwendungsraum verbliebe. Der Sinn dieser Bestimmung ist es ja gerade, Mängelfolgeschäden als reine Vermögensschäden aus Schlecht- oder Nichterfüllung abzudecken. Die Beklagte ist also verpflichtet, Deckung für Mangelfolgeschäden aus Schlechterfüllung zu gewähren.