27.03.2008 Wirtschaftsrecht

OGH: Kartellrechtliche Zusammenschlusskontrolle - beherrschender / bestimmender Einfluss, gemeinsame / alleinige Kontrolle

Allgemeine Ausführungen


Schlagworte: Kartellrecht, Zusammenschluss, beherrschender / bestimmender Einfluss, gemeinsame / alleinige Kontrolle
Gesetze:

§ 7 KartG, Art FKVO

GZ 16 Ok 7/07, 21.01.2008

OGH: Gegenstand der kartellrechtlichen Zusammenschlusskontrolle ist das externe Unternehmenswachstum. Erfasst werden sollen Vorgänge mit (potentiell) konzentrativem Effekt, an denen mindestens zwei Unternehmen beteiligt sind. Zielrichtung der Fusionskontrolle ist es, wettbewerblich strukturierte Märkte möglichst zu erhalten und zu fördern und zu verhindern, dass eine marktbeherrschende Stellung entstehen oder verstärkt werden kann. Ob dies im Einzelfall zutrifft, ist anhand objektiver Kriterien zu beurteilen.

Der Begriff des beherrschenden Einflusses im innerstaatlichen Fusionskontrollrecht (§ 7 Abs 1 Z 5 KartG) ist inhaltsgleich mit dem gemeinschaftsrechtlichen Begriff des bestimmenden Einflusses auf die Tätigkeit eines Unternehmens (Art 3 FKVO). Im Zusammenhang mit dem Kontrollerwerb an einem Unternehmen wird in Schrifttum und Rechtsprechung dabei im Wesentlichen zwischen der gemeinsamen und der alleinigen Kontrolle unterschieden. In jedem Einzelfall ist eine Gesamtwürdigung aller rechtlichen und tatsächlichen Umstände erforderlich.

Eine gemeinsame Kontrolle liegt dann vor, wenn jeder Beteiligte die Möglichkeit zur Beeinflussung strategischer Entscheidungen hat, sie also ohne die anderen Partner nicht getroffen werden können und die Beteiligten bei strategischen Entscheidungen, die das gemeinsame Unternehmen betreffen, aufeinander angewiesen sind. Zur Erlangung gemeinsamer Kontrolle ist es jedoch nicht erforderlich, dass der Erwerber einen bestimmenden Einfluss auf das Tagesgeschäft des Unternehmens ausüben kann. Entscheidend ist, dass die Vetorechte der Muttergesellschaft ausreichen, um das strategische Wirtschaftsverhalten zu beeinflussen. Zu diesem Bereich zählen Entscheidungen über das Budget, den Geschäftsplan, größere Investitionen oder die Besetzung der Unternehmensleitung.

Gleichläufige und hinreichend starke finanzielle und wirtschaftliche Interessen von (Minderheits-)Gesellschaftern können rein faktisch eine gemeinsame Kontrolle über das Unternehmen begründen, auch ohne dass eine gemeinsame Kontrollausübung rechtlich fixiert wäre. Die Wahrscheinlichkeit einer dauerhaften und stabilen Allianz bei einer Mehrzahl von Minderheitsgesellschaftern ist aber grundsätzlich eher gering.

Alleinige Kontrolle wird erworben, wenn aufgrund einer Gesamtschau aller dem Erwerber zustehenden Einflussmöglichkeiten dieser allein in der Lage ist, das strategische Wettbewerbsverhalten eines Unternehmens zu bestimmen. Alleinige Kontrolle liegt nicht nur vor, wenn ein Unternehmen die Stimmrechtsmehrheit an einem anderen Unternehmen hält, also strategische Geschäftsentscheidungen gegen den Willen der anderen Gesellschafter durchsetzen kann, sondern etwa auch dann, wenn ein einzelner Gesellschafter strategische Entscheidungen durch ein Veto verhindern, nicht jedoch allein durchsetzen kann (sog "negative alleinige Kontrolle"). Letzteres ist etwa bei einer Stimmrechtsverteilung zwischen drei Gesellschaftern von 50:25:25 der Fall, weil der Hälftegesellschafter die mit einfacher Mehrheit zu fassenden Beschlüsse blockieren kann und damit die negative alleinige Kontrolle ausübt.