27.03.2008 Wirtschaftsrecht

OGH: Bemessung der Geldbußen gem § 30 KartG

Allgemeine Ausführungen


Schlagworte: Kartellrecht, Geldbußen, Auskunft, Antrag
Gesetze:

§ 29 KartG, § 30 KartG, § 36 KartG, § 11a WettbG

GZ 16 Ok 8/07, 21.01.2008

OGH: Die Geldbuße kann nicht nach einer arithmetischen Formel berechnet werden. Insbesondere ist auch nicht statthaft, die Geldbuße bloß an der Höhe des Gewinns zu orientieren, weil dieser in Anbetracht der vielfältigen hier bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten nicht immer ein ausreichendes Maß zur Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Unternehmens bildet. Dies gilt insbesondere im vorliegenden Fall, wo nach den Feststellungen des Erstgerichts der Gewinn bloß wegen einer Reihe von Einmaleffekten (Gründung einer Zweigniederlassung in Deutschland, neues EDV-System) relativ niedrig war und bereits für das Jahr 2007 eine deutliche Verbesserung der Ertragssituation zu erwarten ist.

Maßgeblich ist der Gesamtumsatz und nicht der Inlandsumsatz. § 29 KartG stellt ausdrücklich auf den "Gesamtumsatz" ab. Nach den Gesetzesmaterialien ist der weltweite Umsatz der an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmer maßgeblich, wobei die Berechnung nach den allgemeinen Bestimmungen des § 22 KartG zu erfolgen hat.

Bei der Bemessung der Geldbuße ist nach § 30 KartG auf die Schwere und Dauer der Rechtsverletzung, auf die durch die Rechtsverletzung erzielte Bereicherung, auf den Grad des Verschuldens und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Bedacht zu nehmen. Bei der Bemessung von Geldbußen nach § 29 Z 2 lit c KartG kommt dem Merkmal der fehlenden Bereicherung - anders als etwa bei § 29 Z 1 lit a KartG - nur untergeordnete Bedeutung zu, ist doch schwer vorstellbar, dass die Nichterfüllung eines Auftrags nach § 11a Abs 2 WettbG als solche überhaupt zu einer Bereicherung führen kann. Die Bedeutung der Auskunftspflicht ist nicht an der subjektiven Einschätzung der Rekurswerberin, sondern am objektiven Maßstab der Rechtsordnung zu messen. Aus dem Sanktionssystem des Kartellgesetzes in seiner Gesamtheit, insbesondere aber auch aus der Höhe der möglichen Geldbuße nach § 29 Z 2 lit c KartG und des Zwangsgelds nach § 35 Abs 1 lit c KartG ergibt sich, dass der Gesetzgeber der Erfüllung der Auskunftspflicht hohe Bedeutung beimisst.

Wie für die Geldbuße nach dem europäischen Wettbewerbsrecht (Art 23 VO 1/2003) gilt auch für § 29 KartG, dass die Befugnis zur Verhängung von Sanktionen nicht dadurch berührt wird, dass das die Zuwiderhandlung begründende Verhalten und die Möglichkeit nachteiliger Auswirkungen zur Zeit der Entscheidung nicht mehr bestehen.

§ 36 KartG enthält gerade keine Verpflichtung, in einem Antrag auf Verhängung einer Geldbuße oder eines Zwangsgelds eine bestimmte Strafhöhe zu fordern. § 36 Abs 2 KartG spricht lediglich aus, dass zum Antrag auf Prüfung von Zusammenschlüssen sowie auf Verhängung von Geldbußen und Zwangsgeldern nur die Bundeswettbewerbsbehörde und der Bundeskartellanwalt berechtigt sind. Satz 2 dieser Bestimmung sieht sodann vor, dass das Kartellgericht keine höhere Geldbuße und kein höheres Zwangsgeld verhängen kann als beantragt wurde. Damit beschränkt § 36 Abs 2 KartG einerseits die Antragslegitimation auf die beiden Amtsparteien. Anderseits beschränkt die Bestimmung das dem Kartellgericht sonst bei der Straffestsetzung zukommende Ermessen dahin, dass das Gericht keine höhere Geldbuße und kein höheres Zwangsgeld verhängen kann als beantragt wurde. Diese Bestimmung soll nach den Gesetzesmaterialien lediglich die Kronzeugenregelung (§ 11 Abs 3 WettbG) absichern. Daher kann daraus keine generelle Verpflichtung der Amtsparteien zur betragsmäßigen Bezifferung eines Geldbußen- oder Zwangsgeldantrags abgeleitet werden. Eine generelle Verpflichtung zur Anführung der Höhe der zu verhängenden Strafe wäre auch systemwidrig, wird dies doch weder im Strafverfahren (§ 207 Abs 2 StPO e contratio) noch im Exekutionsverfahren gefordert. Von einer Unschlüssigkeit des Antrags der Bundeswettbewerbsbehörde kann daher keine Rede sein.