19.06.2008 Wirtschaftsrecht

OGH: "salzburg.com" und "salzburg24.at - Domainrecht und §§ 9 und 1 UWG

Allgemeine Ausführungen


Schlagworte: Wettbewerbsrecht, Domainrecht, Missbrauch von Kennzeichen eines Unternehmens, unlautere Geschäftspraktiken
Gesetze:

§ 9 UWG, § 1 UWG

GZ 4 Ob 38/08d, 11.03.2008

Die Klägerin veröffentlicht unter "salzburg.com" die Online-Ausgabe ihrer Tageszeitung, die im August 2007 mehr als 13 Millionen mal aufgerufen wurde. Die Beklagte kündigte an, unter "salzburg24.at" ebenfalls ein Online Medium betreiben zu wollen. Die Vorinstanzen haben ua den Antrag der Klägerin abgewiesen, der Beklagten die Nutzung der Domain "salzburg24.at" oder einer verwechselbar ähnlichen Domain "je mit und ohne Inhalt" zu verbieten.

OGH: Die Klägerin zeigt zutreffend auf, dass die Top-Level-Domain bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit oder Zeichenidentität regelmäßig außer Betracht zu bleiben hat. Die an dieser Rechtsprechung geübte Kritik ist hier nicht weiter zu erörtern, da die Beklagte die Top-Level-Domain der Klägerin - anders als in 4 Ob 185/06v (- tirolcom.at) - ohnehin nicht übernommen hat. Damit ist zu prüfen, ob sich die Klägerin auf den Schutz der Sub-Level-Domain "salzburg" berufen kann. Das ist nicht der Fall: Geografische Bezeichnungen sind zwar nicht absolut schutzunfähig; es fehlt ihnen aber im Allgemeinen die zur Kennzeichnung eines bestimmten Unternehmens erforderliche Unterscheidungskraft. Sie sind daher nur dann schutzfähig, wenn sie Verkehrsgeltung gewonnen haben, die angesprochenen Verkehrskreise in ihnen also einen eindeutigen Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen erblicken. Dass "Salzburg" in diesem Sinn als Herkunftshinweis auf die Klägerin und ihre Dienstleistungen verstanden würde, hat das Rekursgericht mit nachvollziehbarer Begründung verneint. Damit kann sich aber die Frage der kennzeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr von vornherein nicht stellen.

Unlauteres Verhalten: Bei Fehlen eines besonderen Tatbestandsmerkmals des § 9 UWG konnte zwar nach der Rechtsprechung zu § 1 UWG idF vor der Novelle 2007 auf die lauterkeitsrechtliche Generalklausel zurückgegriffen werden, wenn die Zeichenverletzung (auch) als sittenwidrige Handlung zu Zwecken des Wettbewerbs anzusehen war. Allerdings durften dadurch die Grenzen des kraft Verkehrsgeltung gewährten kennzeichenrechtlichen Schutzes nicht ohne weiteres unterlaufen werden. Es mussten im Einzelfall zusätzliche Umstände vorliegen, die die Annäherung an die fremde Kennzeichnung als unlauter erscheinen ließen. In 4 Ob 185/06v hatte die Beklagte die gesamte Domain der Klägerin (tirol.com) ohne nachvollziehbaren Grund in ihre eigene Sub-Level-Domain übernommen (tirolcom.at). Damit war die Domain der Beklagten jener der Klägerin bei einer auch die Top-Level-Domain einbeziehenden Gesamtbetrachtung weit ähnlicher als hier; zudem wies der Inhalt der von der Beklagten betriebenen Website keinen Bezug zur Domain "tirol.com" auf. Die Annahme von Behinderungs- oder Ausbeutungsabsicht lag daher nahe. Wenn das Rekursgericht die Frage der Unlauterkeit im vorliegenden Fall anders beurteilte, hat es seinen Beurteilungsspielraum nach altem Recht keinesfalls überschritten. Dass die UWG-Novelle 2007 zu einer auch insofern erheblichen Änderung der Rechtslage geführt hätte, behauptet der Revisionsrekurs nicht. Diese Frage ist daher nicht weiter zu prüfen.